Squealer-Rocks.de Live-Review
Nazareth (18.03.2006, Solingen, Getaway, Maddin)

Knappe 30 Euro Eintritt für ein Konzert in einem kleinen Club, dazu noch ohne Vorgruppe, aufzurufen ist schon ziemlich starker Tobak. Geschätzten 400 Rock’n’Roll Fans war das genauso egal wie mir, denn für eine der letzten lebenden Legenden und eine der wichtigsten Bands in der Historie des harten Rock greift man auch gerne mal ein bisschen tiefer in die Geldbörse. Angenehmer Nebeneffekt des hohen Salärs war dann, dass während des kollektiven „den Arsch abfrieren“ vor der Halle genug Gesprächsstoff vorhanden war, um sich warmzuquatschen und einen Teil des überaus sympathischen Solinger Publikums kennenzulernen.
So kam ich in den Genuss der Weisheit, dass man einfach mehr Geld versaufen muss, als das Ticket kostet. Damit würden sich die Kosten für die Karte dann relativieren.
Liebe Rheinländer, Ihr seid kluge Menschen – es hat wahrhaftig funktioniert!

Gut funktioniert hat auch der Tontechniker nebst Assistenten. Was dann ab 20.30 Uhr aus den Boxen schallte, verdient nämlich uneingeschränkt das Prädikat "sauber“: Extrem laut, dabei nicht unangenehm übersteuert und glasklar.
Der technische Begriff des Funktionierens trifft natürlich auch auf eine Band wie Nazareth zu, die seit 40 Jahren auf der Bühne steht und genau weiß, welche Leistung sie ihrem Publikum schuldig ist.

Mit dem seit ca. einem Jahr standardisierten Opener "Miss Misery“ ging’s dann auch blues - und riffmäßig direkt in die Vollen. Und spätestens beim nachfolgenden "Razamanaz“ fragte sich so mancher im Publikum, ob Dan McCafferty’s Stimme nicht vom Band käme.
Mein Gott, der Mann überschreitet demnächst die 60 und singt besser als vor 30 Jahren! Ob’s daran lag, dass er im Gegensatz zu seinen Bandkollegen Mineralwasser statt feines Pils soff, weiß ich nicht. Tatsache bleibt, dass er stimmlich – ich beobachte die Band live seit 25 Jahren – noch nie so gut in Form war. Zwar machte er zeitweise einen angestrengten Eindruck und fasste sich desöfteren an den Bauch – hier sagte übrigens mein Nebenmann: “Leberschmerzen – kenne ich. Kommt vom Fusel“ – und sein Aktionsradius bewegte sich gen Null, doch solange dieser Schotte eine dermaßen geile Gesangsleistung hinlegt, kann er von mir aus auch auf einem Stuhl sitzen. Seine mit trockenem Humor versehenen Ansagen und seine begeisternde Performance, als er bei "Dream on“ das Mitsingspielchen noch weit nach Ende des Songs weiterführte, machten deutlich, wie sehr er seinen Job und sein Publikum liebt.
Das mag pathetisch klingen, aber ich glaube, dass nicht jeder Musiker mit einer schweren Erkältung – die Dan’s Zustand erklärt – einen Gig so professionell durchzieht. ( Auch wenn mit "Bad, Bad Boy“ und "Angel“ zumindest einer der besten Naz Songs gestrichen wurde ).
So sind sie halt, die alten Herren!"
Durch die zeitweise notwendige Passivität des Sängers geriet diesmal jemand in den Fokus des Auditoriums, der ansonsten vielleicht etwas unterschätzt wird: Pete Agnew am Bass. Der wohl sympathischste Musiker aller Zeiten – neben Mick Box von Uriah Heep – grinste wie immer ununterbrochen, nahm sehr persönlichen Kontakt zu den Fans auf und übernahm wie selbstverständlich die Rolle des Bandleaders. Prinzipiell ist Rock der Hausmarke Nazareth leicht zu spielen, mitunter hatte man bei Pete’s Griffbrettakrobatik jedoch den Eindruck, da ist ein Prog - Bassmann am Werk. So etwas nennt man wohl anspruchsvollen Rock’n’Roll!

Nach der Huldigung der beiden Naz Gründungsmitglieder – man möge mir meinen Enthusiasmus verzeihen, das Konzert ist gerade mal 10 Stunden vorbei – sollen aber auch die beiden Jungspunde der aktuellen Besetzung nicht würdigungsfrei ausgehen: Jimmy Murrison ersetzt seit 12 Jahren den ausgestiegen Manny Charlton und macht einen verdammt guten Job.
In der Einleitung zu "Heart’s grown cold“ werden ihm sogar mehrere Minuten Platz eingeräumt, in denen er ein tolles, interessantes Solo zum Besten gibt.
An den Drums sitzt Pete Agnews Sohn Lee, der den leider verstorbenen Darrell Sweet ersetzt.
Und irgendwie hat man den Eindruck, dass der Input der beiden "Bengels“ den Altvorderen McCafferty und Agnew richtig gut tut.
Die alten Nummern kommen einen Tacken härter und direkter rüber, da den beiden Youngsters auch genügend Spielraum gelassen wird.

Jau – damit sind wir auch schon fast durch mit der Beschreibung des gestrigen Abends. Ich habe auch zugegebenermaßen Probleme, diese einzigartige Stimmung und Atmosphäre in Worte zu fassen. Das hier nicht von irgendwelchen Stageacting – Kapriolen berichtet werden kann, liegt wohl auf der Hand.
Dem Unbedarften sei folgendes erklärt: Da stehen 2 alte Männer im Bereich der 60 Lebensjahre auf der Bühne, begleitet von 2 Jungspunden, und spielen den besten Rock’n’Roll den es gibt. Nazareth waren vor AC/DC da - -sind sie besser?
Kurz überlegen: JA!!

Setlist:
1. Miss Misery
2. Razamanaz
3. Kentucky fried Blues
4. This Month’s Messiah
5. Dream on
6. Holiday
7. Waiting
8. My white Bicycle
9. Heart’s grown cold
10. Telegramm
11. Shanghai’d in Shanghai
12. Cocaine
13. Whisky drinkin’ Woman
14. Hair of the Dog
15. Love Hurts

Encore:
Night Woman
This flight tonight