Nazareth und Sinwell (04.03.2007, Nürnberg, Hirsch, Bombenleger)
Eine eiserne Regel sollte befolgt werden, wenn man sich in den Hirsch (ein kleiner Club mit ca. 800 Personen Fassungsvermögen in einem Nürnberger Industrieviertel) begibt - kaufe niemals im Vorverkauf eine Karte. Egal wer spielt, Tickets gibts es immer noch an der Abendkasse. Stell dich geduldig in der Reihe an und warte, bis sich eine Person hervortut, die aus irgendeinem Grund eine Eintrittskarte zuviel hat und werde mit ihr handelseinig. Das klappt nicht immer, aber gestern hatte ich das nötige Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein und sparte mir dadurch 6 Euro (an der Abendkasse hätte ich 26 statt 20 Euro bezahlt). Die so ersparten Kröten werden innen drin natürlich gleich in die nötige Menge Bier eingetauscht, die man braucht, um die Wartezeit zur ersten Band zu überbrücken.
Sinwell hatte ich letztes Jahr schon im Vorprogramm von U.D.O. gesehen, war also nichts neues. Das Nürnberger Quartett ist musikalisch etwas schwer einzuordnen, kein Metal, eher einfacher und lauter Rock mit Einflüssen aus den 70ern bis heute, der auch beim Publikum sehr gut ankommt. Vor allem auch, weil Sinwell sich auf das wesentliche konzentrieren. Kein überflüssiges Gelaber und keine unnötigen Gitarren- oder Drumsoli, einfach Musik, die begeistert. Eine Tatsache, die Dan McCafferty nicht entging. Nachdem der erste Nazareth Song gespielt ist, fordert er Applaus für seine Vorband "Please put your hands together for Sinwell" - schöne Geste von ihm. Aber jetzt bin ich wohl etwas zu abrupt zu Nazareth übergegangen, also nochmal den Rückwärtsgang eingelegt und alles von vorne.
Nach der Umbaupause tönt original schottische Musik als Intro aus den Boxen - als erstes entert Lee Agnew die Bühne und klemmt sich hinter sein Schlagzeug, dann tänzelt sein stets gut gelaunter Vater Pete zu seinem angewiesenen Platz auf der rechten Bühnenseite, gefolgt von Gitarrist Jimmy Murrison und los geht's mit den ersten Takten von "Night Woman". Frenetischer jubel ertönt, als dann auch Dan McCafferty erscheint und mit seiner Reibeisenstimme "She’s a Night Woman of my Dreams and I saw her glidin’ on a Moon..." ins Mikro hallt. Gesanglich ist er immer noch topfit, trotz seines für einen Rockmusiker schon fast biblischen Alters, und zusammen mit dem permanent-grimassenschneidenden Pete Agnew ist er Gentleman wie eh und je.
Dazu seine kläglichen Deutschkenntnisse, die er auf witzige Art unter das Volk bringt ("mein Deutsch ist scheiße...") und die saucoolen Ansagen "next song is from 150 years ago, wenn I was tall and nice". Der Typ hat's einfach drauf.
Die Songauswahl beschränkt mit Ausnahme von "Dream On", "Holiday" und "Love leads me to madness" ausschließlich auf die glorreichen 70er Jahre. Das bedeutet, daß mein Lieblingssong "This Month's Messiah" vom 1984er The Catch Album unter den Tisch fällt, leider. Zweites Manko - "Miss Misery" wird ebenfalls nicht gebracht. Ein kleiner Wehrmutstropfen an einem sonst glorreichen Abend, denn wo gibt es das noch, daß ein Urgestein des Rock'n'Roll die Zuhöreschaft immer noch derart begeistert, daß sich bei Schmusesongs wie "Love Hurts" und "Dream On" die Pärchen im Arm hin und her schunkeln als seien sie wieder 15 und nicht 45 Jahre alt und Headbanger bei "This Flight Tonight" die Häupter schütteln und so ihre Huldigung zum Ausdruck bringen. Was um so erstaunlicher ist, weil viele, als dieser Song in den Charts war, noch gar nicht geboren waren oder die Welt zum damaligen Zeitpunkt eher aus der Kinderwagen- und Laufstallperspektive betrachteten.
Nach "Hair of the Dog" (mit der üblichen Dudelsack-Einlage) und dem bereits erwähnten "Love Hurts" ist dann nach knapp 80 Minuten Schluß. Aber halt - es folgen ja noch zwei Zugaben, wo Nazareth mit "Morning Dew" und "Go Down Fighting" nochmal ordentlich Gas geben, bevor die Hallenbeleuchtung wieder angeht und mich in die graue Realität zurückholt. Die Bühne ist auf einmal leer, alles strömt in Richtung Ausgang - schön wars. In drei Tagen spielen ja UFO zusammen mit Mob Rules an gleicher Stelle, mal sehen, ob der Sinwell/Nazareth Gig dann noch zu toppen ist.
Erwähnen möchte ich noch den freundlichen Zeitgenossen, der mir für 5 Minuten seine ergatterte Setliste zum Abschreiben überließ. So kann ich auch meinen Konzertbericht vervollständigen. Herzlichen Dank dafür, das ist Rock'n'Roll!
Setliste
Night Woman
Razamanaz
I want to do (everything for you)
Alcatraz
Dream On
Danger Danger
Holiday
Love leads to madness
Loved and Lost
Telegram/Leader
Tell me that you love me
This Flight Tonight
Hair of the Dog
Love Hurts
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Morning Dew
Go Down Fighting
Homepage:
http://www.nazarethdirect.co.uk/
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