Squealer-Rocks.de Live-Review
(25.02.2007, Darmstadt, Goldene Krone, Jack)

Die Metal Battle des Wacken-Open-Air in Deutschland! Das sind 14 bundesweite Vorentscheide mit je sechs Bands, die innerhalb von schlappen 20 Minuten versuchen das Publikum und die Jury auf ihre Seite zu ziehen. Denn am Ende kann es immer nur einen geben, der ins Halbfinale einzieht und schlussendlich übers Finale als deutscher Triumphator auf dem Kultfestival in Wacken gegen die internationalen Gewinner antritt. IT’S SHOW TIME... LET’S GET REEAAAAADYYY TOOOOOOO RUMBBBBBBLLLLLLLLLE...

Um keinem Bundesland zu Nahe treten zu wollen, aber es gibt wohl kaum ein zweites nach Hessen, das über ein so riesiges und qualitativhochwertiges Heer an metallischen Underground-Acts verfügt. Grund genug für den Schreiber dieser Zeilen am Samstag, den 24. Februar, die lange Reise in die Goldene Krone nach Darmstadt anzutreten, um gute drei Stunden lang – trotz eines nicht immer einwandfreien Sounds – ein lokales Schmankerl nach dem anderen zu begutachten. Und so viel vorweg: Am Ende gewann eine Combo, die man nicht unbedingt auf der Rechnung hatte.

Aber genug der Vorrede! Als kurz nach 20:00 Uhr die bereits seit acht Jahren bestehende Death Metal Formation Downscape mit ihrem kurzen und schmerzvollen, in von Unleashed und Dismember besetzten Old-School-Gefilden befindlichen Set loslegen, wird anhand des picke packe vollen und somit an die gefühlten 40 Grad warmen Konzertsaals, bei dem man ausnahmsweise nicht die Treppe nach unten in den Keller, sondern nach oben in den ersten Stock gehen muss, klar, dass dort, wo „Wacken“ draufsteht, auch das Metalvolk da ist. Die im klassischen Fünf-Mann-Line-Up auftretende Band um die mattenschwingende Frontsau Kai dankt es mit einer tighten und energiegeladenen Performance, die in den vorderen sechs Reihen mächtige Bang-Ekstasen auslöst. Von Nervosität keine Spur! Routiniert und mit der Berücksichtigung aller unerlässlichen Posen prügeln sich die fünf durch ihre Hand voll Lieder, dass es nur so eine Freude für die Nackenmuskulatur ist, und zeigen mit den ab und an eingebundenen In Flames typischen „Verschnaufspausen“, dass einfältiges Songwriting definitiv nicht dem Hause Downscape entstammt. Es gibt ihn doch noch den in Deutschland praktizierten Death Metal! Gelungener Auftakt!

Unter keinem allzu guten Stern stand der Auftritt des nächsten hessischen Geheimtipps, Force Trankill. Grund: Der im Vergleich zu seinen vier Mitstreitern wie ein zwei Meter großer Hüne erscheinende Sänger Lars Bittner plagt sich mit einer Erkältung herum. Doch die Truppe, die beinharten Metal mit ultraeingängigen Chosen paart, gibt ihr Bestes und erntet dafür schnell ausgiebige Beifallsbekundungen und fliegende Köpfe, wenn auch unweigerlich weniger als noch ihre Vorreiter... was sich natürlich auch stilbedingt begründen lässt. Bei fünf superben Musikern, die sich seit Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten bei den unterschiedlichsten Bands im hessischen Underground austoben, kann man eigentlich auch nichts anderes erwarten, als dass sie – egal unter welchen Vorzeichen – alles hergeben, was es zum hergeben gibt... auch wenn der Fokus heuer auf den härteren Geschossen liegt und so der eigentliche Teint dieser tollen Gruppe nicht vollständig erkennbar ist. Erkältet grunzt es sich halt doch besser...

Vom kraftvollen Metal hin zum Mittelalter Rock. Nachtgeschrei, bei denen der Gesang des Frontmannes Holger Franz teilweise etwas unverständlich aus den Boxen schallt, setzen wie ihre Genrekollegen In Extremo und Subway To Sally, um mal die bekanntesten Vertreter zu nennen, auf ein halbes Orchester an Bandmitgliedern und Instrumenten (z.B. Drehleier, Akkordeon und Dudelsack) und fallen (oh Wunder) in dasselbe musikalische Schema, das angereichert mit leicht verdaulichen unmetallischeren Die Apokalyptischen Reiter Einflüssen so oft kopiert wurde, dass einem mittlerweile der Enthusiasmus dafür fehlen müsste... oder etwa nicht? Der vordersten Publikumsfront ist’s egal. Sie machen das, was man eben zu Mittelalter Rock macht: Hüpfen und tanzen, hüpfen und tanzen, hüpfen und... ihr wisst schon.

Nach so vielen Fröhlich- und Nettigkeiten steigen wir erst einmal hinab in die düsteren Sphären des progressiven Dark Metals – vorgetragen von der mit fast zwölf Jahren auf dem holden Buckel wohl am längsten von allen heute angetretenen Bands zusammen musizierenden Gruppe, Opalessence. Angeführt von dem Vollblutmusiker Marco Klein (Gitarre/grunzende Zweitstimme) und der ausdrucksstarken und Dominanz verkörpernden Sängerin Ruth Knepel (neuerdings mit der gothischen Haarfarbe schwarz), die beide aufgrund der überzeugenden gesanglichen Tätigkeit und der nach Vorne gerichteten Bühnenpositionierung (der Basser tummelt sich beispielsweise vornehmlich zwischen seinem Verstärker und dem Schlagzeug) die meisten Blicke auf sich ziehen, spricht man neben den „Nachtgestalten“ vornehmlich auch die Progressivgesinnten an, sucht man doch ein Mittelding zwischen der von Opeth und härteren Anathema beeinflussten düsteren und der mit Dream Theater in Konsens gebrachten virtuosen Schlagseite. Ein Konzept, das bedingt durch die harte Metal-Untermalung, hier und heute, selbst bei gerade mal vier Songs, vollkommen aufgeht und von unzähligen klatschenden Händen, sowie Zugaberufen, die allerdings (und deswegen habe ich sie euch bislang vorenthalten) bei jedem Auftritt mehr oder minder zu hören waren, bestätigt wird.

Wie bei einem Steigerungslauf (puh, meine Kondition war schon mal auf einem höheren Level) wissen Concept Insomnia, die mit einem Durchschnittsalter von guten 20 Lenzen die einzige richtig junge Formation des Darmstädter Metal Battle stellen, dem noch eins draufzulegen. Von wegen „jugendliche Unüberlegtheit“ und „fehlende Reife“. Vergesst diese Stammtischparolen. Die Kurzhaarfraktion um die Saitenhexer Phil (Bass), Dave und Jens (beide Gitarre) knallen allen zuvor Unwissenden ein sattes Paket des modern beschlagenen Progressive Metals vor den Latz, dass es nur so eine Art ist und man sich nicht mehr vor dem automatischen Headbangen und Luftgitarrespielen wehren kann. Beeinflusst von den einst progressiven Schweden von Evergrey, den auf Pianos setzenden Savatage und Circus Maximus erweist sich das „Konzept“ als eigenständig, flexibel und einfach nur genial. Im Zentrum der 1-1-3 Aufstellung steht, bestückt mit einem Keyboard, Sänger Luke, der selbst einem Khan (Kamelot) in Bestform das Leben schwer machen würde. Ohne Worte! Egal ob komplex, eingängig, besinnlich, aggressiv und von Grunzgesängen verstärkt, bei Concept Insomnia passt alles zusammen und gibt ein stimmiges Gesamtbild ab. Da fängt manch einer (aus Frustration für das fehlende musikalische Verständnis?) schon mal ein kleines Moshpit an, das zu unmissverständlichen Blicken führt (Na, habt ihr Maddins Schelte nicht gelesen?). Nichtsdestotrotz ein hammermäßiger, leider viel zu kurzer Auftritt einer Band, die ich sicher nicht zum letzten Mal live gesehen habe.
PS: Falls das einer von den Jungs lesen sollte: Wenn das Album fertig ist, bitte eine Kopie zwecks Review an mich schicken!

Ist der Abend aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen bereits gelaufen? Mitnichten! Denn Mercury Falling aus Fulda schicken sich an, um weitere 20 Minuten für offene Münder und einen unangreifbaren Rekord zu sorgen. Gerade mal aus drei Liedern setzt sich das dennoch mehr als aussagekräftige Set der fünf Mannen zusammen, die von einem artverwandten Webzine fälschlicherweise mit den ebenfalls aus dieser schönen osthessischen Stadt stammenden Edguy in Verbindung gebracht worden sind. OK, Mercury Falling wissen genauso wie Tobi Sammet und Co. wie man seine Songs melodisch, kräftig und vor allem schmissig gestaltet. Doch, wenn ich so einfach von A nach B kommen will, dann kann ich auch Metallica mit Nightwish erklären. Die Jungs sind weit mehr als das. Begleitet von progressiv anrüchigen Schlenkern, die sich für mich (beim Betrachten meines T-Shirts) mit Evergrey ein Einklang bringen lassen, und den exzellenten Gesängen des Michael Pabst gibt die erfahrene Truppe, die sich neben dieser Tätigkeit mit Musikstudien und Coverbands beschäftigt, eine ausufernde Form des Melodic Power Metal zum besten, die sich ohne Frage mit der gnadenlosen skandinavischen Konkurrenz messen lassen kann. Wunderschön!
PS: Für euch gilt übrigens dasselbe wie für Concept Insomnia.

Während sich das „hohe“ Kampfgericht zur Beratung zurückzieht, dürfen die Gewinner der Metal Battle 2006, Drone, die auf der kompletten Tour als Special Guest dabei sind, zeigen, warum sie a.) diesen Titel errungen haben und b.) als ganz heißes Eisen in der Metal-Szene gelten. Und das tun sie… aber hallo! Mit New Thrash Anleihen à la Machine Head und einem satten Metalcore-Brett weiß die vierköpfige Band aus Celle, die 30 Minuten lang alles andere als den Pausenclown spielt, wo der Hase lang läuft. Dabei ist es nicht nur die musikalische Qualität von Stücken wie „Chainsaw Symphony“, die eine hohe Durchschlagskraft besitzt, sondern auch die Entertainment-Fähigkeit des sympathischen Sängers Moritz Hempel. Daumen hoch!

„Wenn die Turmuhr zwölf Mal schlägt, haben wir einen Sieger!“ Und der heißt...
Downscape!
Ein bisschen überraschend war es für viele, die auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den letzten drei Bands des Abends spekuliert haben. Aber man muss das Ganze auch so sehen: Mit Downscape, die sich seit Jahren den Arsch in der Szene aufgerissen haben, wurde das Glück ganz sicher keinem Falschen zuteil.
Noch viel wichtiger ist, dass wir alle sechs bzw. sieben fantastische Acts gesehen haben, anhand derer man beruhigt in die Zukunft unserer Lieblingsmusik blicken kann.

Ob als Band oder als Zuschauer, die Metal Battle lohnt sich immer!