Squealer-Rocks.de Live-Review
Avantasia und Slade (07.08.2016, Seebronn, maddin)

„Wilkommen im „Jurrassic Park“ des Rock!“
Klaus Eberhartinger von der EAV hätte es in seiner ersten Ansage kaum sympathischer und treffend selbstironischer beschreiben können.

Zum 10. Mal hiess es für alle Altrocker sich in Seebronn einzufinden, um den Helden der Jugend und des Classic Rock zu frönen. Wie immer flankiert von einigen Metal Bands und dezenten Schlenkern in Richtung Pop.
Und wie immer war es perfekt – auch das zwote Jahr, in dem es über drei statt zwei Tage ging, konnte mit der gewohnt entspannten Atmosphäre überzeugen, die es sonst auf keinem Festival gibt.
Die negativen Aspekte waren minimal und die beiden Ausfälle im Billing gehen nicht auf das Konto des Veranstalters.

So wurde wenige Tage vor Beginn der Sause bekannt, dass UFO aufgrund einer OP von Sänger Phil Mogg nicht auftreten würden. Ein adäquater Ersatz konnte auf die Schnelle nicht gefunden werden, so wurden kurzerhand die Spielzeiten der übrigen Bands am Freitag verlängert, worüber sicherlich niemand böse war.

So here we go:

Freitag:

Graham Bonnet Band:
Dank einer 8 – stündigen, stauigen Anfahrt für 450 KM war es Eurem – wie immer höchst ergebenen – Schreiber nicht möglich pünktlich um 17 Uhr vor der Bühne zu sein. Mit viel Rennerei (und Schreierei – meine Frau hasst mich heute noch dafür!) stand ich dann aber doch um 17.20 Uhr vor der großen Stage und die Schreierei verwandelte sich zunächst in ein fassungsloses Staunen:
Wie alt ist der Mann? 68??? Der rennt mit seiner Arthur Spooner Rentner - Hose über die Bühne wie ein Bekloppter, macht super – sympathische Ansagen und singt und schreit Klopper wie die MSG Nummer „Desert Song“, seinen Signature Rainbow Track „Since You've been gone“ und das obergeile „Lost in Hollywood“ bald besser als vor dreissig Jahren.
Keine 30 Minuten auf dem Gelände und schon die ersten Freudentränen!
Thank You, Mr. Bonnet!
Es war eine große Ehre ---und da spreche ich für viele, sehr viele Anwesende.

Saga:
Die Keyboard – Festungen beim Umbau machten klar, dass nun ein Stilbruch im Billing folgt. Statt schnörkellosem Rock war nun progressive Kunst angesagt. Doch die Kanadier sind ja nun mal das Paradebeispiel dafür, dass man auch mit verschachtelten Arrangements für Party Stimmung sorgen kann. Die Truppe um die Crichton Brüder legte direkt mit ihrem besten Song, „Don't be late“, los und spätestens beim fulminanten intrumentalen Finale tobte der Platz.
Das Toben legte sich dank einer wie immer perfekt gelaunten und eingespielten Band und Hits wie „On the Loose“ oder „Wind him Up“ über 80 Minuten nicht.
Lediglich das Fehlen des Überhits „Humble Stance“ sorgte für Verwunderung und Entäuschung (man munkelt, die Band hätte den Soundcheck überzogen...).

Axel Rudi Pell:
Ganz klar der eigentliche Headliner am Freitag, nimmt man die Stimung als Maßstab. Aber mal ganz ehrlich - wen wundert's? Eine Band, die stilistisch ganz schwer an Rainbow erinnert, aus ausnahmslos tollen Musikern besteht, eine Spielfreude an den Tag legt, die absolut ansteckend ist und zudem mit Songs aufwarten kann, die allesamt Champions League Niveau besitzen -was soll man da kritisieren? Es gab unzählige Leute, die mir am nächsten Tag erzählten (u.a ein Engländer), dass Pell und seine Truppe der Oberhammer waren. Na, ja - mir entlockte das nur ein abgeklärtes Grinsen. Als Ruhrgebietler weiss man das! Pell eben! Da weiss man, was man hat.

In Extremo:
Ja, die haben Spaß gemacht. Aber als Headliner im Vergleich zu Saga und Pell eher unpassend. Zudem erreichen viele der neuen Songs - „Sternhagelvoll“ - eher Karnevals – Niveau und wirken fast schon peinlich. Und nach 90 Minuten klingt irgendwie auch alles gleich. Die betont lustlosen Ansagen des Sängers taten natürlich ihr übriges, dass die Luft nach 60 Minuten raus war.
Fehlbesetzung als Headliner!

Samstag:

Blackslash:
Saucoole Sache! Junge Burschen, die meine Kinder sein könnten, rennen rum wie Def Leppard anno '82 (VOR „Pyromania“) und hören sich auch so an! Doppelte Leads a la Thin Lizzy, leichte Maiden und Saxon Verweise, Samson, Tokyo Blade und Battleaxe lassen grüßen.
Auf der Bühne geht die Post ab, der Sänger zieht die weissen Tennis – Socken bis fast an den Hals, die Klampfen – Burschen bangen sich die Seele aus dem jungen Leib und wir Metal Rentner denken: „Mit diesem Nachwuchs wird alles gut!“.
Bitte diese Jungs als Vorband von Priest oder so – die haben echt verdient, beachtet zu werden!
Ich habe meine CD bestellt und empfehle es jedem Gleichgesinnten, mir gleichzutun!

Lucifers Friend:
Sorry - hier bin ich raus! Ex- Uriah Heep Sänger John Lawton und die Band machen wohl einen guten Job, aber mir ist die 70er Attitüde zu „kiffig“.

Treat:
GRANDIOS!! Beinahe das Highlight des Festivals! Eine super sympathische Band mit einem tollen neuen Album und einer Ladung alter Hits im Gepäck. Leider war der Gig von technischen Problemen begleitet, die aber von der schwedischen Truppe mit einer Engelsgeduld ertragen wurde. Beim finalen „World of Promises“ tobte und klatschte verdientermaßen der ganze Platz in Seebronn.
DIE will ich nächstes Jahr nochmal sehen!!! Wie sollen die denn erst ohne Soundprobleme sein???

Chris Thompson:
Insgesamt: Enttäuschend. Im Prinzip ein Manfred Mann Konzert für Arme. Seine Stimme ist toll, klar. Aber die Überlängen – Versionen von „Davy's on the Road again“ oder „Blinded by the Light“ machten deutlich, wie gut Manfred Mann ist und wie zweitklassig eine Cover Band eben doch ist.
Da war die Earth Band von Manfred Mann im letzten Jahr doch ein ganz anderes Kaliber.Auch will sich mir der Sinn nicht erschliessen, den John Farnham Hit „You're the Voice“ zu bringen, der mit Thompson so viel zu tun hat, wie ich mit guten Manieren.

Ken Hensley & Our Propaganda:
Der Zusatz „Our Propanda“ ist unnötig. Wir reden hier von einem Uriah Heep Konzert von Ken Hensley und einer jungen Begleitmannschaft. Was irgendwie geil ist, aber auch irgendwie schade. Denn Ken Hensley hat genügend geile Sachen in seinem Solo Repertoire, welches leider komplett ignoriert wurde. Nichts desto trotz war es eine Freude und auch eine Ehre, Perlen wie „July Morning“, „Gypsy“ oder das unvermeidliche „Lady in Black“ von einer lebenden Legende livehaftig zu erleben.

Magnum:
Im letzten Jahr wurde ihr Gig kurzfristig gecancelt, weil die Airline die Instrumente statt nach Stuttgart irgendwo nach Timbuktu verfrachtet hat. Heuer war alles vor Ort - und wie! Die Truppe um Tony Clarkin war die lauteste des gesamten Festivals und war überhaupt sehr geil. Die Setlist war klasse, alte und neue Songs wurden geschickt vermengt. Highlight war natürlich das unschlagbare „Vigilante“, bei dem echt der ganze Platz hüpfte und mitsang, dicht gefolgt vom epischen Überhit „How far Jerusalem“, bei dem viele gestandene Männer Pisse in den Glotzern hatten (der Verfasser nicht---ich hatte bloß was im Auge....).
Auch hier gilt: Es war uns eine Ehre!

Blue Öyster Cult:
Kann der Schreiber kein adäquates Urteil abgeben, da er sich ausruhen musste, um bei Avantasia fit zu sein. Das, was jedoch mit halb schlummernden Ohren wahrgenommen wurde, war ziemlich geil und beim alles zerstörenden „Godzilla“ wippten die alten Knochen selbst im Halbschlaf mit.

Avantasia:
So---nun könnte ich 300 Zeilen schreiben, was zwar gerechtfertigt, aber dramaturgisch unklug wäre. Also kurz und bündig:
wie erwartet, die beste Band des Festivals
das Fehlen von Amanda Sommerville und Jorn Lande wurde den Umständen entsprechend gut kompensiert
2, 5 Stunden sind gut, aber bei Avantasia noch zu wenig
Eric Martin ist definitiv KEIN Arschloch, wäre aber gerne eins, gehört zu besten Sängern der Welt und ist einer der wenigen Menschen, mit dem ich gerne mal einen saufen würde
Ronnie Atkins ist ein Malocher vor dem Herrn
Bob Catley muss man einfach lieb haben
Tobi Sammet ist ein Genie!
Michael Kiske ist der beste deutsche Sänger


Sonntag:

Fargo:
Die Band um den Ex- Victory Bassisten Peter „Fargo – Pedder“ Knorn bot zu nachmittäglicher Stunde recht biederen Hardrock, der nett ins Ohr läuft. Der Gesang und auch so mancher Song erinnerte mich desöfteren an Ace Frehley. Leider waren die Ansagen („Jetzt kommt ein Song vom 2. Album...“) und das Stageacting mehr als langweilig, so dass die Truppe zwar nett rüberkam, aber nach 5 Minuten auch wieder vergessen war.

Intermezzo:
Nun kam Veranstalter Horst Odermatt auf die Bühne und verkündete der Fangemeinde die traurige Botschaft, dass der Sonntags Headliner, Kim Wilde, nicht auftreten kann, weil ihr Flug gecancelt wurde. Ein bulgarischer Pilot wollte nach der Landung den Weg zum Gate über die Wiese abkürzen und vergass dabei, dass Flugzeuge keine Traktoren sind, blieb im nassen Grün stecken, blockierte mit seinen Tragflächen gleich zwei Landebahnen, was eine vierstündige Sperrung des Stuttgarter Airports zur Folge hatte.
Kim Wilde ist aber fürs nächste Jahr schon wieder gebucht - -vielleicht sollte sie dann besser die Fähre nehmen....

EAV:
Wohl kaum eine Band hat im Vorfeld für so viel Diskussionen gesorgt. Die Meinungen der Fans gingen von „..was wollen die hier mit ihrer Pop - Blödelscheisse...!“ über „...na, ja –mal gucken...“ bis hin zu „...als Party Band bestimmt gut...“.
Was dann abging, kann man getrost als DIE Überraschung des Festivals bezeichnen. Der Opener „Neandertal“ sorgte in punkto musikalischer Härte und auch lyrischer Härte für offene Münder, gefolgt von grenzenloser Begeisterung. Mit 2 Gitarren wurde richtig hart gerockt und der aktualisierte, hoch politische Text über Syrien, Nazis und Flüchtlinge liess den Großteil der Besucher beinahe fassungslos gen Bühne blicken. „Ey—die können ja echt mehr als den „Märchenprinz“!“
Der wurde natürlich auch gezockt und --wie viele andere Songs auch – in ein härteres Gewand gepackt.
Die Ansagen von Conferencier Klaus Eberhartinger waren schon ein Highlight an sich, schwankten zwischen intelligenter Komik und politischen Statements, und sorgten für großflächigen Applaus.
Bei Kloppern wie „Küss die Hand, Herr Kerkermeister“ oder „Einmal möchte ich ein Böser sein“ sah man landauf, landab Fäuste in der Luft, was selbst den Oberprofi Eberhartinger fast fassungslos machte und zu der Aussage: „Damit haben wir echt nicht gerechnet“ veranlasste.
Niemals habe ich nach einem Auftritt beim Rock of Ages so laute und viele „Zugabe“ Rufe gehört – wirklich bis in die letzte Reihe.
Fast alle meinten danach: „Das war der Höhepunkt heute!“.
Doch sie haben die Rechnung ohne einen durchgeknallten Engländer namens Dave Hill gemacht....

Slade:
Endlich!! Slade habe ich - obwohl Fan seit 35 Jahren – noch nie live gesehen. Dennoch hatte ich im Vorfeld Zweifel. Slade ohne Noddy Holder? Geht das überhaupt? Können die das noch? Nach der Sweet Pleite im letzten Jahr – Realsatire pur – machte ich mich auf das Schlimmste gefasst. Wieder so 'ne abgehalfterte Kapelle, die ihre Rente aufbessern will?
AM ARSCH! Nach dem Opener „Gudbuy T'Jane“ war klar: DIE könnens noch!
Spätestens bei „Look up Your Daughters“ von einem der besten Hardrock Alben überhaupt, „Till Deaf do us Part“, war mir bewusst: „Ey, Alter! Du siehst gerade eine Legende---eine schweinegeile Legende!“.
Slade hatten nicht nur den Bonus, dass sie Hit an Hit reihen konnten, nein, ich habe noch nie - -NIE!!! --eine so durchgeknallte Combo gesehen.
Allen voran Gitarrist Dave Hill, der Mann ist Legende. Der ist so durchgedreht auf der Bühne, da fehlte echt nur noch der Sprung in die Menge. Drum Legende Don Powell flog bei jedem Schlag fast sein „Gebiss“ raus, was er am Ende der jubelnden Menge als Gebisschutz präsentierte, nicht ohne vorher seine Rentner - Wampe zu präsentieren und --hätte ihn seine Band nicht zurückgehalten – seinen faltigen Arsch wollte er uns auch noch zeigen!
Mehr Party geht nicht! Dennoch wurde es auch mal sentimental. Bei „My oh My“ flossen Tränen im Flutmodus (ich hatte wieder nur was im Auge).
Das Finale mit „Cum on feel the Noize“ habe ich auch eine Woche später noch im Ohr!
Die Steigerung von Party? Slade!!!!

Barcley James Harvest:
Musikalisch sicherlich Oberklasse, aber nach Slade und als Abschluss eines Festivals denkbar fehlbesetzt. Als nach 70 Minuten realer Spielzeit und gefühlten 3 Tagen endlich „Hymn“ kam, ging ein Raunen der Erleichterung durch die Menge. Ja, das war schon toll, diesen Übersong mal live zu hören. Aber wenn 8000 Menschen über eine Stunde nur auf einen einzigen Song warten, dann läuft etwas verkehrt.
Tolle Band, keine Frage---aber nicht nach drei Tagen Feiern. Hier machte sich das Fehlen von Kim Wilde schmerzhaft bemerkbar.

Danke an alle, die mir ein unvergessliches Festival bereitet haben!
Bis zum nächsten Jahr!