Squealer-Rocks.de Live-Review
Cheeno und AKa-Frontage (22.07.2006, Freiburg, Mensa-Bar, Jack)

3 x 4 Bands – 3 Tage – eine Spielzeit von jeweils 30 Minuten... und am Ende stehen 3 Teilnehmer für 1 Finale fest. Das ist der Ten Sero Bandcontest (offiziell Ten Sero Rockfestival betitelt), welcher in diesem Jahr zum zweiten mal nach 2005 von den Studenten der ISW (Institut für Sprachen und Wirtschaft) in der schnuckeligen Mensa-Bar zu Freiburg über die Bühne ging. SQUEALER.net war beim letzten der drei Vorentscheide mit von der Partie und lauschte den Klängen der Bands AKa-Frontage, Cheeno, Flow Circus und Myris.

Den Anfang macht gegen 22:00 Uhr das Karlsruher Septett (!) von AKa-Frontage. Wenn jemand behauptet, dass deutscher Crossover heutzutage keinen mehr vom Hocker haut, hat dieser jemand wohl noch nichts von AKa-Frontage gehört. Mit einem Keyboardspieler, einem festen Akustikgitarristen und zwei Sängern präsentiert sich die Truppe mit einem etwas anderen Line-Up, das mit diesen Elementen ein vielfältiges Programm kreiert. Ob Ska, harte Metalklänge oder etwas Böhse Onkelz, es gibt fast nichts, das diese hochmotivierte Band nicht in ihren rappig-rockenden Crossover-Kontext einbettet. Selbst die Probleme mit dem Bass lassen die Jungs kalt oder besser gesagt heiß. Denn die Gesangsduelle, die sich Jan "Kilemo" Lechner (Rap) und Johannes "Joeker" von Freydorf (Growls) in klasse Nummern wie "Bitteschön", "Melencolia", "Heimat" oder "Rock Frontage" liefern, reißen die wenigen Herrschaften, die es bei diesem hochsommerlichen Wetter in die noch heißere (mindestens 35 Grad) Mensa-Bar verschlagen hat, mit. Mit solch tightem Auftreten schafft man sich neue Freunde. Klasse!

Von der badischen Hauptstadt führt uns die rockige Deutschlandreise ins Saarland, aus dem Cheeno um ihre Ausnahmesängerin Jennie nach Freiburg angereist sind, um mächtig zu rocken. Konnte man bei der in diesem Jahr veröffentlichten EP TRY TO RESCUE! von schönen, treibenden Rockklängen sprechen, so muss man on-stage feststellen, dass der Fünfer wesentlich härter um die Ecke kommt. Man könnte fast schon von einem Metalbrett sprechen, das Jennie ins Songs wie "The Ruler" begleitet. Doch mit vollem Körpereinsatz und tollem Stageacting (aus dem Publikum heraus die Bühne betreten oder der "Kniefall" gegen Ende) kämpft die ausgebildete Sängerin mit aller Macht und einer nicht enden wollenden Power und Treffsicherheit (und das bei mindestens 40 Grad) gegen die bedrohlichen Gitarrenwände an, aus denen zudem Leadgitarrist Joey mit seinen sehr progressiven Soli ausbricht. Der ans Herz gehende Track "Cocaine", der ebenfalls auf der bereits erwähnten EP ein Plätzchen gefunden hat, befasst sich inhaltlich zwar mit winterlichen Attitüden, doch anstatt eiskalt, läuft es einem heuer glühend heiß den Rücken runter. Den tropischen Temperaturen geben Cheeno in ihrer halben Stunde jedoch nicht nach. Ganz im Gegenteil, die Band gibt alles und heizt dem allmählich größer werdenden Publikum noch einmal kräftig mit dem eingängigen "Invisible" und "One Thing" ein. Manchmal sind 30 Minuten viel zu kurz...

...oder zu lang. Klar, die Bewertung von Musik erfolgt größtenteils einem rein subjektiver Empfinden. Doch, wenn man sein Festival "Rockfestival" schimpft, sollte man diesen Titel eigentlich auch im Programm behalten, oder etwa nicht?. Sei's drum. Nach zwei furiosen Gigs startet die neugegründete Freiburger-Formation Flow Circus in ihr Heimspiel und hinterlässt einen, wie gerade erklärt, zwiespältigen Eindruck. Während vor der Bühne die Fans Hände und Beine regelrecht wegwerfen, steht die Rockermehrheit unbeteiligt etwas im Abseits oder vor der Tür (klar, bei mindestens 50 Grad). Der extrem funkige (die alten "Chilischoten" lassen freundlich grüßen), zappelige, soulige und leicht jazzige mit santanaartigen Gitarrensoli versehene Sound mag ja ganz annehmbar sein - um es freundlich auszudrücken. Was soll aber a.) das Rumgeturne der Backing Sängerinnen, die sich in der Vordergrund platziert haben, und b.) das affige Auftreten des Frontmannes, der seine Ansagen auch noch auf englisch hält? Zwei Fragen, keine Antworten. Wie gesagt, manch einem gefällt diese Art von Musik, ich persönlich kann mich mit so etwas allerdings nicht identifizieren. Sorry!

Der Umstand, dass Bon Jovi die Band Myris aus dem Rhein-Main-Gebiet in ihrem Vorprogramm spielen ließen, repräsentiert mal wieder die zwei Seiten der berühmt berüchtigten Medaille. Zum einen zeigt dies, dass der Liebling aller Hausfrauen den ganz harten Rock in der Zwischenzeit komplett verworfen hat. Zum anderen zeigt dieser Ex-Liebling aller Hard Rocker aber auch Klasse, eine damals noch recht unbekannte Band vor einer Masse von über 50.000 Leuten spielen zu lassen. Der Entwicklung von Myris um ihre gebbürtige Schwarzwälderin Alex Stauch am Gesang hat dies sicherlich enorm geholfen: Routiniert und mit allen Wässerchen gewaschen, die man braucht, um sich beim kritischen Publikum "einzuschleimen", spielt die seit geraumer Zeit zum Quintett mutierte Band ihr Set runter und überzeugt mit Charisma und tollen, sehr poppigen Rocksongs der Kategorie "Hitpotenzial" wie das starke "Highlight" oder die ultraprägnante Nummer "Spinning Around" (und das bei Temperaturen von mindestens 60 Grad). Letzten Endes bleibt einiges auf der Habenseite von Myris stehen, auch wenn mir das ein oder andere ein bisschen zu abgezockt rüber kam.

Fazit: Über den Sound in der Mensa-Bar hatte ich bislang noch kein großes Wort verloren. Warum? Ganz einfach, weil ich mich sonst viermal wiederholen hätte müssen. Den Tontechnikern ist ein durchweg kerniger und klarer Sound gelungen, von dem sich so manches Open-Air oder manche "große" Band eine Scheibe - oder gar zwei - abschneiden könnte. Ansonsten bleibt festzuhalten, dass ich für meinen Teil drei absolut hochwertige und aufstrebende Bands gesehen habe, die Freude auf mehr machen.
Dass sich am Ende Myris den dritten Finalplatz gesichert haben, entspricht dem, was die Masse des, aufgrund von Stadtfesten, leider überschaubaren Publikums empfunden hat. Sei's wie es ist. Das Wichtige an solchen Bandwettbewerben ist alleine die Teilnahme und das Gewinnen neuer Fans. Daher gibt es normalerweise keine Verlierer, sondern nur Gewinner!
Einzig hätte ich in der "Urteilsverkündung" gerne Statements der Jury-Mitglieder zu den einzelnen Acts gehört, anstatt dass einfach nur der Gewinner verkündet wurde.
Nun ja... ein toller Abend war es allemal.