Saxon und Kansas (28.07.2014, Seebronn, maddin)
Einmal im Jahr finden im beschaulichen Seebronn unweit von Stuttgart gleich zwei Events auf einmal statt.
Zum Einen das renommierte „Rock of Ages“ - Festival, welches nicht zu Unrecht unter den vielen Stammzuschauern als das entspannteste, lockerste und sympathischste Open Air auf deutschem Boden gilt. Doch dazu später mehr im Fazit.
Viel wichtiger jedoch – zumindest nach meiner unbescheidenen, höchst subjektiven Wahrnehmung – ist das sog. „Squealer – Rocks Battle“!
Denn am sonst so friedfertigen Arsch der Welt knallen in schöner Regelmäßigkeit die beiden Anti – Pole Eric und Maddin wie seinerzeit Godzilla und King Kong aufeinander, und tragen zwei Tage lang inhaltsschwere wie wortgewaltige Gefechte aus, die sich um so weltbewegende Themen wie „..warum sind Bon Jovi heutzutage so scheisse, dass nur noch Eric sie gut findet...?“ oder „...ist wirklich jeder, der KISS nicht gut findet, ein Idiot?“ oder eben die Kernfrage „...könnte SQR besser laufen, wenn der Cheffe mehr Ahnung von guter Musik hätte...?“ drehen.
Das diese Diskussionen zumeist hektisch beginnen, doch meist in friedvoller Eintracht enden, liegt einzig und allein an der Location, die den Namen „Camp David des Rock'n'Roll“ verdient hätte.
Doch der Reihe nach: Als am Eröffnungstag der Himmel um 14 Uhr seine Schleusen öffnet und Sturm und Hagel gar den Ablauf und pünktlichen Beginn um 17 Uhr in Frage stellen, macht sich neben Unmut ob der jetzt schon teilweise vollgelaufenen Zelte auch etwas Panik unter den Besuchern breit.
Doch der Wettergott war wie schon im letzten Jahr, als das Unwetter erst nach der letzten Band losbrach, ein echter Rocker.
Denn, als das britische Urgestein Dr. Feelgood die wie immer schön ausladende Bühne enterte, hatte die Sonne bereits einen Großteil der matschigen Wiese wieder in eine zumindest unfallfrei begehbare Fläche verwandelt.
Euer – wie immer höchst ergebener - Schreiber muss zu seiner eigenen Schande gestehen, von dieser Band vorher noch nie etwas gehört zu haben und wäre beinahe der Versuchung erlegen, noch etwas Zeit auf dem höchst einladenden Campingplatz bei Bier, Bier und Bier zu verbringen.
So ist es der Hartnäckigkeit meiner Frau gedankt, dass ich nun von einem der besten Gigs des ganzen Wochenendes berichten kann.
In Erwartung langsamer, strunzöder Blues Mucke fielen mir beinahe Bier und Zigarrette aus der vergilbten Flosse, als das Quartett statt o.g. Langweiler – Mucke erstmal 4 Granaten (fragt mich nicht nach Songtiteln!) ins noch spärlich vertretene Auditorium knallte, die irgendwo zwischen AC/DC, (alten) Status Quo und - Achtung! - den Lords lagen.
Das Ganze klang jedoch zu keiner Sekunde altbacken, sondern wirkte frisch und authentisch, so dass sich die gute Stimmung im Publikum von den paar Altrockern, die wirklich alles von der Truppe kannten, schnell auf so ziemlich jeden der Anwesenden übertrug.
Am Ende des Gigs konnten sich die anfangs noch etwas hüftsteifen Gentlemen vor Zugabe Rufen kaum retten und wirkten beinahe euphorischer als die Zuschauer.
So einfach kann's sein: Alte Männer machen alte Leute glücklich – und umgekehrt.
Nun hatten die Österreicher von Tokyo (das hat ja schon fast Loriot Qualität...) die undankbare Aufgabe, dieses Stimmungslevel zu halten. Zwei Gründe sorgten jedoch dafür, das dieses Unterfangen von vorne herein zum Scheitern verurteilt war. Erstens kannte die Band wohl außer die - übrigens überaus nette – aus dem Nachbarland angereiste Fraktion in der ersten Reihe kein Mensch und ihrem etwas behäbig klingenden Sound, der streckenweise fatal an Saga erinnerte, fehlte es schlicht und ergreifend an packenden Momenten, zudem sich der Gesang nicht gerade einen Orden anheften konnte.
War nett amzuhören, aber es war auch keiner böse, als es zu Ende war.
Dann wurde es voller vor der Bühne. Die Legende Wishbone Ash rief zur Audienz und der süßliche Geruch in der Abendluft wehte verstärkt durchs Ländle.
Auch hier muss ich mit fachlicher Unkenntnis glänzen, und als reiner Biertrinker fragte ich mich bei den ewig ausufernden Soli, ob man so etwas wirklich nur mit der Tabaksorte „Joint“ zur Gänze verstehen kann.
Technisch und musikalisch, keine Frage, hatte man es hier mit einer Truppe von höchster Güte zu tun. Bei jedem Solo der Twin Guitars konnte man nur staunen. Doch irgendwie fehlte dann immer der Punkt, den Track rechtzeitig zu beenden.
Ok – die Schlaghosen - Träger mit Rauschebart sehen das selbstredend anders....
Die machten sich auch ganz schnell vom Acker, als Rage nebst dem Lingua Mortis Orchester die Bühne betraten. Ab jetzt gehörte Seebronn den Metal Fans.
Obwohl: Nach den 75 Minuten des Trios nebst starker Begleitung jubelte so ziemlich jeder auf dem Platz.
Das Geile an der Sache: Es war wirklich ein Projekt, fast vergleichbar mit Avantasia, was dort abräumte und nicht etwa Rage mit Alibi – Orchester.
So postierte sich Rage Chef und Obersympath Peavey bescheiden am rechten Bühnenrand und überliess die Bühnenmitte den „Gastsängern“.
Stilistisch gab es eine Mischung aus Avantasia, Savatage und Trans Siberian Orchestra, wenn denn schon Vergleiche herhalten müssen. Zudem wurde wieder mal deutlich, wie stark die Rage Kompositionen sind.
Für mich das Highlight des gesamten Festivals und wenn der Sound in den ersten Reihen nicht etwas zu matschig gewesen wäre, würde ich gar behaupten, es war gleichwertig mit Avantasia im letzten Jahr.
Konnten Saxon das noch toppen? Natürlich nicht! Oder doch? Ansichtssache....
Das die Mannen um Biff wohl noch keinen schlechten Gig in ihrer Karriere gespielt haben, ist bekannt. Und als die Briten mit „Motorcycle Man“ und einer imposanten Licht – und Bühnenshow loslegten, war klar, dass das NWOBHM Flagschiff immer noch eine Bank ist. Als Biff, der erstaunlich gut bei Stimme war, dann noch ankündigte, es gäbe an diesem Abend nur Songs aus den 80ern zu hören, konnte man dutzendweise alte Männer weinen sehen...
Es war also der erwartete Triumphzug der alten Heroen – und das gilt für den gesamten Freitag!
Der Samstag begann schon recht früh um halb zwölf und so richtig wollte man die Schweizer von Crown of Glory nicht um ihren frühen Slot beneiden.
Doch das, was die Eidgenossen dann ablieferten, rang nicht nur mir die Plattitüde „Genauso – und nur so! - hat sich ein Opener zu präsentieren!“ ab.
Spielfreude pur, eine höchst sympathische Combo, ein Sänger, der den Namen „Frontman“ auch verdient und dazu feinster Melodic Metal mit 'ner schönen Prise Power Metal gewürzt.
Zwar spielen die sympathischen Burschen, die es schon seit 1999 gibt, nicht unbedingt in der Champions League, aber sie sind auf dem Sprung dorthin.
Der nun einsetzende Regen hielt keinen Zuschauer davon ab, vor der Bühne zu bleiben.
Heisst, die Männer aus den Bergen haben alles richtig gemacht.
Das kann man von den Russen Red's Cool nicht behaupten – die haben nämlich alles verkehrt gemacht und waren - zumindest für mich – der Ausfall des Festivals.
Zur Erklärung: Von einer Band, die kein Mensch im Publikum kennt, erwarte ich zumindest, dass sie sich kurz vorstellt. Stattdessen drückt sich der Sänger in bester Grunge Manier auf der Bühne rum, reisst ein paar Posen ab, findet sich unheimlich toll und kriegt keine einzige Ansage außer „The next Song is...“ hin.
Hey! Ich habe für Euch bezahlt – nicht umgekehrt!
Habe mal Oasis live gesehen, die waren ähnlich.....
Da nützt es auch nix, dass die Mucke, die irgendwo im Sleaze Bereich liegt, ganz in Ordnung ist. Es spricht Bände, dass die Kosaken – Mannschaft ihren lustlosen Gig vor ca. 10 Zuschauern beendet und sich noch nicht einmal verabschiedet.
Eine ähnlich arrogante Performance hab' ich im Vorfeld von den schwedischen Überfliegern Houston erwartet, die zwar ohne Ende gehypt werden, mir aber viel zu kraft – und ideenlos sind.
Doch siehe da: Schönlinge können auch Ausstrahlung besitzen und ihre Songs tatsächlich live 'ne Ecke saftiger rüberbringen.
So war es eine dreiviertel Stunde lange Melodic Rock Party, mit einer erstaunlich natürlichen und sympathischen Band, die zwar lange nicht an die musikalisch zitierten Vorbilder Survivor, Foreigner oder Giant rankommt, sich aber sehr viele neue Freunde gemacht hat.
Freunde hat Adrian Vandenberg genügend. Der Ausnahmegitarrist ist Legende und so brandete ihm beim Betreten der Bühne frenetischer Jubel entgegen, auch wenn längst nicht alle Zuschauer dem Schaffen seiner Moonkings mächtig waren.
Auch egal, der sympathische Saiten - Virtouse könnte „Hänschen Klein“ spielen und die Fans lägen ihm zurecht zu Füßen.
Das der Whitesnake Klopper „Here I go again“, den Vandenberg zumindest in der Neufassung mit eingespielt hat, für Jubelstürme bis zum letzen Pommes Stand sorgte, dürfte jedem klar sein.
Tribe of Gypsies waren für mich die Fehlbesetzung schlechthin, was aber wirklich nur meinem persönlichen Geschmack geschuldet ist. Super sympathische Band, tolle Musiker – nur kann Old Maddin leider nix mit diesem Latino angehauchten Metal / Rock Zeux anfangen.
Geschmackssache halt. Die meisten Zuschauer sahen das anders, somit liege ich wohl falsch.
Und dann? Ja, dann kamen TNT! Die neben Talisman und Treat beste Hardrock / Heavy Rock Band aus Skandinavien.
Und eigentlich steht meinem Cheffe Sir Eric die Kritik zu diesem Gig zu, zumal dies die einzige Band ist, die er außer Bon Jovi mag. Leider liegt, wie DPA gerade meldet, der Boss von SQR im Bett und brüllt ständig im halb komatösen Zustand abgebrochene Sätze wie „Tony Harnell ist Gott“ und „...lass' das nich' den Maddin machen!. Der versaut das....“.
Nun ja – dann wollen wir das mal schön versauen:
Tony Harnell, der zurückgekehrte Original Sänger, ist wirklich Gott. Hier passten Ausstrahlung, Stageacting und stimmliche Brillanz zusammen. Der Rest der Band ist eh gottgleich, genauso wie es die Songs sind.
TNT gehören zu den wenigen Bands, die eigentlich Stimungsmusik machen, man aber ob der gebotenen Qualität gar keinen Bock hat mitzuklatschen, sondern einfach nur wie paralysiert diese unfassbare Geilheit der Musik in sich aufnimmt.
Ja, das war schlicht und einfach perfekt!
Und dann, DANN, dann kam mein persönliches Schlüsselerlebnis! Als Nazareth Fan so lange ich denken kann, konnte / wollte ich nicht wahrhaben, dass eine der wichtigsten Bands aller Zeiten nach dem Ausstieg von Ur – Sänger Dan McCafferty wirklich elendig zugrunde geht. Leider hat mir dieser Gig bewiesen, dass Naz Boss Pete Agnew alles verkehrt gemacht hat.
Neu - Vokalist Linton Osborne ist kein schlechter Sänger, nein. Aber er passt absolut nicht zu Nazareth und als Frontman ist er eine Katastrophe!
Als die Truppe mit „Telegramm“ loslegte, war direkt klar, das ist nett, aber es ist nicht Naz.
Der Mann besitzt keinerlei Ausstrahlung – was ich ihm nicht zum Vorwurf mache, er schien sehr nervös, was der Bürde des Vorgängers geschuldet ist – und seine Stimmlage ist eine komplett andere als die von Dan.
Doch man merkte der Band zu jeder Sekunde an, dass es an Feeling fehlte, auch wenn Pete Agnew wie immer den Strahlemann gab.
Zum Fast – Eklat kam es dann, als man Nazareth nach 40 Minuten von der Bühne jagte, da sie die Umbaupause aufgrund „technischer Schwierigkeiten“ um über 15 Minuten überzogen hatten.
So kamen noch nicht einmal „Love Hurts“ oder „Dream on“ zum Einsatz.
Nun kann man sich die Frage stellen, ob man so mit einer Rock – Legende umgeht (die Naz Boys waren entsprechend angepisst) oder ob sie selbst schuld sind, bzw. ihre Techniker.
Egal – es passte zum Gesamtbild: Hier geht gerade eine Rock – Institution erbärmlich zugrunde und uns Fans tut es einfach nur weh.
Gottlob kamen dann Lordi und alle trüben Gedanken waren in Windeseile verflogen. Nun war „Happy Metal“ - Zeit und ich muss zugeben, dass ich ein derartiges Brett von den Finnen nicht erwartet hätte.
Die Monster Truppe präsentierte ihre KISS meets Accept meets ABBA Mucke dermaßen geil und spielfreudig, dass selbst die Wishbone Ash Kiffer freudig zum Pils übergingen und die Ohrwürmer mit erhobenem Plastik – Humpen mitbrüllten.
Ja, in der Tat – es gab wohl keinem auf dem Platz, der Lordi nicht gut fand.
Eine schweinegeile Monster – Party!
Bei Kansas war es immer noch überraschend voll und die Stimmung war grandios.
Warum überraschend? Nun, weil die Truppe um Billy Greer und (noch-) Sänger Steve Walsh ein sehr sperriges Programm bot. So begann man den zweistündigen Set mit einem gut 15 – minütigen Instrumental und lediglich die beiden Hitsingles „Dust in the Wind“ (hier war das Publikum lauter als die Band) und „Carry on, You Wayward Son“ sorgten für Auflockerung.
Den besten Sound des Wochenendes hatten die Amis und an sympathischer Ausstrahlung fehlt es ihnen auch nicht.
Dennoch hätten die Urgesteine etws mehr auf Stimmung machen können, die Songs dazu haben sie und wie das geht, haben Saxon bewiesen.
Auf einem Festival sollte man stets eine entsprechende Setlist parat haben.
Fazit: Für 80 Euro Eintritt gibt es mit Sicherheit Festivals, die für diesen Preis bekanntere Bands bieten. Stellt sich nur die Frage: Will man das? Beim „Rock of Ages“ bekommt man unheimlich viel Luxus geboten, soll heissen: Platz vor der Bühne, kein Ballerman / Wacken Publikum, kurze Wege vom Camping Platz zum Konzertgelände (15 Min.), Raum beim Zelten und eine schlicht und einfach stressfreie Atmosphäre.
Der Veranstalter kontert Kritiken stets mit dem Argument, das er die Preise anders kalkulieren könnte, wenn er „angesagte“ Bands holen würde. Nur dann wäre es mit der entspannten Atmosphäre vorbei.
Wollt Ihr 2000 Freiwild oder Sabbaton Fans dort haben? Ich nicht!
Ich will weiterhin mit Altfans zusammen feiern und zahle dafür auch gerne mehr.
Das Teil - Billing, welches für 2015 bereits bestätigt ist – The Hooters, Magnum, Uriah Heeep... - spricht Bände.
Es scheint so, als würde 2015 noch geiler werden....
Ach, ja – Danke, Horst, für dieses geile Festival!
See Ya'!
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