Status Quo und Wilko Johnsen Band (28.03.2014, London - Hammersmith bzw. Eventim Apollo, Siggi)
Ich geb ja zu, ich hab ne Weile überlegt ... Brauchen wir hier wirklich noch ein zweites Review zur gleichen Status-Quo-Tour? Maddin hat uns ja schon seine Eindrücke von Oberhausen vermittelt.
Die Antwort kann nur „Ja“ lauten, denn das, was sich in England, insbesondere im „Hammy“ abspielt, ist mit den Konzerten in Deutschland einfach nicht zu vergleichen. (Ich seh den Maddin schon mit den Augen rollen ...)
Der seit Oktober erwartete Tag war endlich gekommen... Wie schon im letzten Jahr wurde das Nötigste als Handgepäck zusammengestaucht und am 27. gings früh morgens in den Billigflieger. Unterkunft: ein kleines Apartment, ca. 10 Minuten Fußweg entfernt vom U-Bahnhof Hammersmith. Für den 28. war eigentlich noch ein bisschen Sightseeing eingeplant, aber als wir um ca. halb elf an der U-Bahn ankamen, blitzte der Gedanke auf: Lass uns doch mal kurz an der Halle vorbeischauen ... Man weiß ja nie, wer da gerade so rumläuft. Tja, und dann standen da schon etwa 10 Leute, darunter auch zwei liebe Bekannte. Also mal hin und “guten Tag” sagen ... Und dann stand irgendwie fest: „Wir gehen hier nicht mehr weg.“ Wie bekloppt muss man eigentlich sein, um sich mit 52 Jahren freiwillig über 8 Stunden vor Einlass vor eine Konzerthalle zu stellen? Nun, so sind sie halt, die Quo-Fans ...
Man muss dazu sagen, in England verläuft das Anstehen etwas als bei uns. Ein „Weggelaufen – Platz verkaufen“ gibts da nicht. Wenn man erstmal ne Weile da war, kann man ohne Weiteres auch mal für ne Stunde verschwinden und bekommt dann mit einer Selbstverständlichkeit seinen Platz zurück, an der man sich hierzulande ein Beispiel nehmen sollte. Wer später kommt und sich einfach nach ganz vorn stellt, wird auch ganz schnell zurück gepfiffen.
Wie auch immer, im Nachhinein hat sogar das Spaß gemacht, weil es jede Menge Gesprächsstoff gab. Schweißt ja auch irgendwie zusammen, wenn man sich gemeinsam die Beine in den Bauch steht.
Die Türen wurden sogar eine Viertelstunde früher als angekündigt geöffnet und wir konnten unsere heißersehnten Plätze direkt vor Bühne ergattern. In Deutschland stehen wir immer in der ersten Reihe, aber das hier war London! Das hier war das Hammersmith Apollo! (Das inzwischen in „Eventim Apollo“ umbenannt wurde, aber wen interessiert das schon?)
Diese wunderschöne Location in der Form eines alten Theaters, in warmen Farben, mit Balkon und Kronleuchtern, muss man mal gesehen haben. Wenn ich da an die O2 World in Berlin denke, wo das erste Konzert dieser Tour stattgefunden hat, was hatte sich der Veranstalter bloß dabei gedacht?
Los gings dann mit der Wilko Johnson Band. Gar nicht mal schlecht, aber leider war der Sound für uns ziemlich mies. Das sind halt die Abstriche, die man meist auf den vorderen Plätzen machen muss. Wenn der Bass teilweise lauter zu hören ist als der Gesang, klingt das schon ein bisschen seltsam. Überrascht hat uns, wie schon die Supportband vom Publikum abgefeiert wurde, da war mehr Stimmung als in Berlin bei Quo! Trotzdem, eine Band wie im letzten Jahr The Treatment wäre mehr nach meinem Geschmack gewesen.
Tja, dann hieß es mal wieder warten ... Wenn nur diese Umbaupausen nicht wären. Als der gute Lloyd mit seinem Klebeband kam, um die Kabel schön säuberlich abzudecken und die Setlist zu befestigen, wusste man, jetzt gehts gleich los ...
Es wurde dunkel, das vertraute “Dum Dumdum Dumdum...” erklang und dann fingen sie an, die Gesänge, die wir Fans (und mit Sicherheit auch die Band) so lieben. Laut und bombastisch erklang das “Quooooo Oh Oh OoooooooH Oh”, wieder und wieder, es schien gar nicht mehr enden zu wollen.
Es erstummte erst, als die altbekannte Ansage abgespielt wurde: „Is there anybody out there who wants to rock?“ Blöde Frage! „Yeeeeaaaahhhhh!!!!!“ Der Rest des Textes wurde mitgegrölt und insbesonder beim den letzten beiden Worten „Status Quoooooooo“ schrie sich wohl jeder die Kehle aus dem Hals.
Der Vorhang fiel und da waren sie wieder, unsere heißgeliebten Frantic Four! Junior’s Wailing ertönte und die Halle bebte, es wurde gesungen, geklatscht, gehüpft, man kann es in Worten kaum beschreiben. Ich war schon auf vielen Konzerten, darunter auch wirklich viele mit super Stimmung. Aber was bei Quo im Hammersmith passiert, verschlägt einem die Sprache. Die meisten Quo-Fans sind dies mit Leib und Seele und das spürt man einfach. Brennende Füße und Rückenschmerzen vom langen Stehen sind dank einer ausreichender Menge an körpereigenen Drogen wie weg geblasen. Es zählt nur noch eins: diese vier alten Männer, die abrocken, was das Zeug hält. So fett, so dreckig, wie sie die meisten leider gar nicht kennen. Selbst „TheGuardian“ hat in einem Review Status Quo als „Britain's most underrated rock band“ bezeichnet. Und das sind sie zweifellos.
Auch wenn Alan Lancaster in seinen Bewegungen etwas eingeschränkt ist, seine Stimme hat an Kraft nicht verloren und sein Bass hört sich auch noch genau so an, wie er für Quo klingen muss. Davon abgesehen möchte man diesen super lieben Kerl einfach nur knuddeln. John Coughlan ist noch immer DER Quo-Drummer, auch er war genau auf dem Platz, an den er gehört. Zu Francis Rossi und Rick Parfitt muss man nicht mehr viel sagen. Was die in ihrem Alter noch leisten, ist schier unglaublich. Bei Rick hat man sogar den Eindruck er würde von Gig zu Gig jünger. Aber mein Respekt und Dank gilt natürlich ALLEN, die uns Fans dieses FF-Erlebnis ermöglicht haben, auch Bob Young, dessen Mundharmonika-Einlagen nicht fehlen dürfen.
Nicht nur Refrains, sondern teilweise auch die Strophen wurden von den Fans so laut mitgesungen, dass einem ein Gänschen nach dem anderen über den Rücken lief. Scheiß auf die Stimmbänder, Hauptsache laut! Ja, und auch den Herrschaften auf der Bühne war deutlich anzusehen, wie sehr sie die Atmosphäre genossen, standen sie doch manchmal einfach da und lauschten freudestrahlend den Gesängen, da weiterspielen sinnlos gewesen wäre, hätte eh keiner gehört! Da kann auch ein Song wie „Rain“ schon mal etwas länger als sonst dauern. Am meisten geliebt werden aber natürlich die Songs, die nicht zum Standardrepertoire der aktuellen Quo-Besetzung gehören.
Ob im Stehplatzbereich oder auf dem Balkon, die Halle tobte und es hielt niemanden auf seinem Sitz. Leider war das am Samstag leider ein bisschen anders. Wir hatten für diesen Tag Plätze auf dem Balkon und merkwürdigerweise blieben in unserem Block so gut wie alle sitzen, dafür war für uns der Sound deutlich besser als am Vortag. Ok, Nacken tat eh noch weh vom Headbangen ... Trotzdem, für uns stand nach dem Samstag-Gig auf jeden Fall fest: nie wieder Quo mit Sitzplatz. (Notfalls muss halt irgendwann ein Rollator mit.)
Da wir erst wesentlich später zur Halle mussten, bestand aber zumindest die Gelegenheit, dem Distiller’s einen Besuch abzustatten, einige alte Bekannte zu treffen und auch neue kennenzulernen. Hier wurde mal wieder gefeiert ohne Ende, die Coverband Stated Quo gab alles und der Kneipe ging sogar das Bier aus.
Fazit:
Wie schon bei der Reunion Tour 2013 war London ein wahnsinniges Erlebnis, die Gigs, das ganze Drumherum, da stimmte einfach wieder mal alles. (Diesmal sogar das Wetter.) Was wäre wohl aus dieser Band geworden, wenn es die Trennung nicht gegeben hätte? Oder wenn die Reunion einfach 10 oder sogar 20 Jahre früher stattgefunden hätte? Dieser Gedanke stimmt wohl so manchen von uns wehmütig.
Aber alles in allem bin ich froh, der Faszination Station Quo erlegen zu sein, denn ohne sie hätte ich diese London-Erlebnisse nie gehabt. Sie sind unbezahlbar und wirklich beschreiben kann man die Emotionen nicht, mit denen man konfrontiert wurde. Wer nicht dabei war oder gar zu den „Quo-Belächlern“ gehört, würde es sowieso nicht verstehen.
Setlist (die gleiche wie in Oberhausen)
Junior's Wailing
Backwater
Just Take Me
Is There a Better Way
In My Chair
Blue Eyed Lady
Little Lady
Most of the Time
Rain
(April) Spring, Summer & Wednesdays
Railroad
Oh Baby
Forty-Five Hundred Times / Gotta Go Home
Big Fat Mama
Down Down
Roadhouse Blues
Caroline
Bye Bye Johnny
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