Gamma Ray und Freedom Call (11.02.2010, Bochum, Zeche, maddin)
Etwas überrascht war ich schon, am ungeliebten Dienstag Abend eine nahezu rappelvolle Zeche zu sehen. „Alles richtig gemacht“, darf sich das Management selbst loben, denn es war ein kluger Schachzug, Freedom Call ins Vorprogramm der Tour zu packen. Nicht wenige der gut 800 Nasen hätten wohl kaum das wärmende Wohnzimmer verlassen, wenn die Happy Metaller nicht mit von der Partie gewesen wären (was nicht heißen soll, dass Gamma Ray nicht abgesahnt hätten; aber heutzutage muss man schon eine Doppelspitze anbieten, um die Hallen zu füllen).
Zunächst stürmten allerdings pünktlich um 19.30 Uhr die Italiener von Secret Sphere das winzig kleine Stückchen Bühne, das man ihnen zur Verfügung stellte. Im Grunde schon eine Frechheit, aber bei weitem nicht so unverschämt wie der „Sound“, mit denen man die spielfreudigen Jungs abfertigte. Die Gitarren und das Keyboard waren quasi nicht zu hören und der Rest dümpelte auch nur irgendwie vor sich hin. Gottlob ließen sich Band und Publikum davon nicht unterkriegen, die Südländer machten das beste aus der Situation und die Zuschauer ließen sich zu deutlich mehr als nur Höflichkeitsapplaus hinreißen. Der höchst melodische Power Metal verdient zwar keinen Innovationspreis, aber Spaß macht die Mischung aus Sonata Arctica und Stratovarius allemal. Bei speedigen Hymnen wie „Welcome to the Circus“ oder „Vampire's Kiss“ durfte die Truppe auf eine recht stattliche Anzahl fliegender Matten und Fäuste blicken.
Am Gesang glänzte als Ersatzmann für den erkrankten Ramon Messina übrigens Trick or Treat Frontsirene Alessandro Conti, der zwar einige Lyrics ablesen musste, den etatmäßigen Barden aber locker in die Tasche steckte.
Dann wurde es lustig, ja fast karnevalistisch. Man verzeihe mir diese polemische Ausführung, aber eurem ergebenen Schreiberling sind Freedom Call dann doch eine Spur zu zuckersüß und fröhlich.
Deshalb muss an dieser Stelle auch auf eine detaillierte Schilderung des Gigs verzichtet werden. Eines allerdings bleibt, unabhängig vom persönlichen Geschmack, festzuhalten: Ich habe es ganz, ganz selten erlebt, dass bei einer Vorgruppe eine derartig fantastische Stimmung herrscht. Hier wurde wirklich bis in die allerletzte Reihe mitgeklatscht und gesungen. Ein wahrer Triumphzug der Strahlemänner, der selbst durch den ebenfalls höchstens mittelmäßigen Sound nicht getrübt wurde.
Bei Gamma Ray war der Klang aus der PA dann wundersamerweise gut, wenn auch lange nicht perfekt. Im Vorfeld machten zunächst sorgenvolle Spekulationen die Runde, da die Hansen - Mannschaft beim Tourstart in Hamburg angeblich nach nur 75 Minuten die Bühne verlassen hatte.
In Bochum – Meister Kai vergaß selbstverständlich nicht, die guten alten Zeiten in der altehrwürdigen Zeche zu erwähnen – war jedoch alles in bester Ordnung. Die Spielzeit betrug ca. 100 Minuten und generell eigentlich gibt es keinerlei Kritikpunkte.
Sicher, die Setlist wird so manchem etwas sauer aufgestoßen sein (nichts von „Somewhere out in Space“, nüscht von „Land of the Free II“ und gar gaaaaaar nix von Helloween), doch diese Kameraden hätten im umgekehrten Fall ebenso über „Immer das Gleiche“ gemeckert.
Neu waren nicht nur die 4 Songs von „To the Metal“, sondern auch Kai Hansens Kopfmikro a la Sammy Hagar, das dem Guten ein sattes Bewegungsplus einräumte. So richtig gut passt das Teil bei einer Power Metal Combo dann aber doch nicht ins Bild, und so sah man den Frontman mit zunehmender Dauer des Gigs immer wieder an gewohnter Stelle, sprich mit „Ständer“.
Klar, das komplette Fehlen von Helloween Material dürfte auch ein Novum sein und fast möchte man ein „Na, endlich!“ ausrufen. Gamma Ray haben so viel saustarkes Material, da muss ich nicht zum 180. Mal „Future World“ oder „Ride the Sky“ (vor denen man ja sowieso auf keiner Fete und keinem Underground - Konzert sicher ist) aus reinem Instinkt mitbrüllen.
Stattdessen gab es - endlich mal wieder! - „Heading for Tomorrow“, „Abyss of the Void“, „Armaggedon“ und sogar „New World Order“. Feine Sache.
Darüber hinaus ist es immer wieder faszinierend, ja fast magisch, die Hanseaten bei der Arbeit zu
beobachten / bewundern. Man merkt der Band die jahrelange Routine an, da präsentiert sich ein eingespieltes Team aus den obersten Regionen, das eigentlich in wesentlich größeren Hallen zum Tanz aufspielen müsste. Spielfreude gepaart mit Virtuosität und Professionalität, so etwas ergibt stets einen hohen Unterhaltungsfaktor. Den hatte auch das Drum - Solo von Daniel Zimmermann, das mit begleitenden Playback - Einspielungen zu einem Stimmungs – Höhepunkt avancierte (Nur für's Protokoll und die Klugscheisser: Ja, wir wissen alle, dass er diesen Gag bei Neal Peart abgeguckt hat. Trotzdem war's geil!).
Man behält also ein sehr gelungenes Konzert im Gedächtnis, mit einem famosen Headliner, einer mitreißenden Support Band - für den, der's mag – und einem leider etwas benachteiligten, aber sehr unterhaltsamen Opening Act. Und das alles für knapp über 20 Euro. Von daher haben auch die Zuschauer alles richtig gemacht, weil sie mitten der Woche eine Riesenfete gefeiert haben.
Setlist Gamma Ray:
Gardens Of The Sinner
Empathy
Deadlands
Fight
Abyss of the Void
Mother Angel
Armageddon
To The Metal
No Need to Cry
Rebellion In Dreamland
Man On A Mission
Heading For Tomorrow
No World Order
Send Me A Sign
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