Squealer-Rocks.de Live-Review
Ace Frehley und 16 Second Stare (11.12.2009, Bochum, Zeche, maddin)

Ich hätte Haus und Hof verwettet, das die Ace Frehley Konzerte in den deutschen Clubs lange vorher ausverkauft sind. Doch weit gefehlt: Die Hardrock - Szene anno 2009 scheint entweder schlecht informiert zu sein (die Werbung für die Tour war in der Tat recht spartanisch) oder verhält sich schlicht respektlos. 500 Zuschauer in Hamburg und eine mit 700 Zuschauern nicht ausverkaufte Zeche zu Bochum, da verliere ich fast den Glauben!
Da kommt einer der einflussreichsten Musiker nach Germany und kaum einer geht hin. Immerhin ist Ace Frehley zu großen Teilen mitverantwortlich für den Erfolg von KISS in den 70ern und somit auch für die Entstehung der Metal - Landschaft, wie sie heute existiert und hat mit „Anomaly“ zudem ein saustarkes neues Album im Gepäck. Da mutet es doch etwas seltsam an, dass die KISS Tickets für 2010 nach wenigen Tagen weg sind, während sich beim ollen Atze aus NYC nur recht wenige Hardcore – Fans einfinden.
Oder sollten sich in den großen Arenen doch gar nicht so viele echte Fanatiker befinden und ein Großteil aus Event - Publikum bestehen.....?

So, Anschiss kassiert, nun bitte weiterlesen, wie's denn war.

In der Warteschlange vor der Halle machen hauptsächlich Anekdoten über Mr. Frehleys Eskapaden bei KISS die Runde: „1996 ist er von der Bühne gefallen“; „Gene Simmons und Paul Stanley haben gewettet, dass er die Tour nicht trocken durchsteht“; „Bei der KISS Expo in Oberhausen war er so besoffen, dass ihn zwei Roadies tragen mussten“.
Alles (Halb)Wahrheiten, die leider im Kern richtig sind. Doch Ace wird nicht müde zu betonen, dass er mittlerweile trocken und fit ist. Und das ist nur allzu wahr, wie wir später sehen werden!

Bis dahin jedoch, werden die Zuschauer, die NUR Ace und sonst gar nichts sehen wollen, auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Es ist keine Vorgruppe angekündigt und alle rechnen damit, dass die Show des Spaceman relativ pünktlich um 20.30 Uhr beginnt.
Um kurz vor acht bereits entern vier ältere Herren die Bühne und legen mit dem Priest - Classic „Living After Midnight“ gut und zielsicher los. Leider sichert mir nur mein Platz sehr nahe der Bühne diese Erkenntnis, denn die sympathischen Altrocker spielen die ersten 3 Songs lediglich über ihre Backline, erst ab Lied Numero 4 tut die PA ihren Dienst.
Ich kann auch beim besten Willen nicht sagen, wer das war. Aufgrund der miserablen Akustik zu Beginn war nur zu erahnen, dass die Truppe aus Witten stammt.
Schade, denn die 30 Minuten waren ein Mix aus Gassenhauern und eigenen Stücken, die allesamt für gute Stimmung sorgten (vielleicht kann mir hier ein Leser weiterhelfen).

Dann wurde es voll vor der Bühne, alle warteten auf Ace. Was dann jedoch um 20.40 Uhr losbrach, verpasste vielen der Anwesenden einen regelrechten Kulturschock! 16 Second Stare aus Florida stürmten die Bühne und bliesen jedem der 700 mit ihrer brachialen Mischung aus Pantera, Faith No More und allerhand Nu Metal / Thrash Metal Einflüssen das Hirn aus dem alternden Schädel.
Kopfschütteln war angesagt, überall. Der Großteil des Auditoriums tat dies mit ablehnender, völlig ratloser und verzweifelter Attitüde, während ein paar einsame Gestalten jüngeren Baujahrs selbiges etwas heftiger und mit Enthusiasmus vollzogen.
Ich zähle zwar zu den älteren Semestern, doch die spielfreudigen Jungs haben mich echt begeistert.
Solche gelungenen Rap – Metal Sachen habe ich zuletzt bei Faith No More gehört und das ist schon sehr, sehr lange her.
Und als die Band mit „Better Man“ eine wirklich saustarke und ergreifende Halbballade im Guns'n'Roses / Country Stil zockte, waren selbst die stursten Altfans den Tränen der Rührung nahe.
Tolle Band, leider völlig deplatziert.

Nach dem Ende von 16 Second Stare dauerte es noch einmal 50 Minuten (!) bis endlich „Fractured Mirror“ vom Band in voller Länge (in miserabler Qualität) ertönte. Schließlich enterte Ace Frehley nebst blutjunger Mannschaft die Bühne und legte mit „Rocket Ride“ überraschend tight und sauber los. Ace is back and he is well!!
Unser Spaceman wirkte absolut frisch und ausgeruht. Ich muss nun etwas emotional werden, aber als langjähriger Fan ging mir ein wohliges, beruhigendes Glücksgefühl durch den ganzen Körper, als ich Classics wie „Parasite“, „Deuce“, „Shock Me“ oder „Cold Gin“ nur wenige Meter von mir entfernt von einem der Urheber dieser Meisterwerke live dargeboten bekam – Magie!!!
Zudem ist Ace eine Person, die man einfach mögen muss. Er ist kein Frontman, nein.
Er ist das krasse Gegenteil zu Simmons und Stanley, er ist keine Showtype, er ist ein Rocker.
Seine Gestik ist eigentlich gar nicht das, was man sich unter einem U.S. Superstar vorstellt.
Ace spielt seine Gitarre, und das tut er sehr gerne. Er singt dazu, aber mehr so nebenbei. Wunderbar immer dann zu beobachten, wenn schwierige Klampfen – Parts zu bewältigen sind. Dann lässt er schon mal plötzlich die Vocals Vocals sein und konzentriert sich auf sein Saitenspiel. Er scheint dann etwas entrückt.
Ist das unprofessionell? Keine Ahnung, jedenfalls ist es super – sympathisch und wirkt sehr ehrlich.

Ein Manko allerdings gab es doch und das war die Band. Nicht musikalisch, nein, die Jungs, die allesamt Enkel(!) von Paul Daniel Frehley hätten sein können, brachten jeden Song perfekt in sehr harten Versionen und machten keinen Fehler.
Lediglich das Stageacting ließ zu wünschen übrig. Der Bassist hat sich über die gesamten 100 Minuten Netto – Spielzeit gerade mal drei Schritte bewegt und der Gitarrist kommt auf five steps.
Somit war es an Ace, die Bühne auszufüllen, was er auch mit Bravour bewältigte.
Gottlob stand ihm sein Drummer zur Seite. Wirklich selten, dass ein Trommler zum optischen wie gesanglichen Blick- / Ohrenfang gerät, hier aber war es echt der Fall.
Der Bursche an den Kesseln verfügt nicht nur über eine geile Stimme, wie er bei „Love Gun“ unter Beweis stellte, er sorgte auch dafür, dass Ace verpasste Einsätze – die sehr oft vorkamen – zumindest nicht wiederholte und war so etwas wie der Regisseur der Veranstaltung.

Ja - das muss man natürlich auch erwähnen: Ace hatte so manchen Texthänger. Komischerweise wirkte das niemals peinlich, sondern irgendwie .... normal. Dem Mann verzeiht man aufgrund seiner wenig affektierten Art halt einiges.
Der Sound war höllisch laut und etwas zu krachig, aber in Ordnung. Über die Setlist kann man streiten. Natürlich ist es cool, „Love Gun“ zu spielen, und über Exoten wie „Love Her All I Can“ (was KISS auf der „Rock the Nations“ Tour übrigens auch wieder im Programm hatten) freuen wir uns alle. Ich halte es aber fast für unverzeihlich, dass es keinen einzigen Song vom tollen „Trouble Walkin'“ Album gab. Wie sehr das Publikum auf Solo Stücke fixiert war, hat man daran gesehen, dass „Rock Soldiers“ den absoluten Höhepunkt der Stimmung darstellte.
Noch mehr los war nur bei „2000 Man“ und „Bochum Groove“.

Dass Konzert war nicht gut, weil es von Ace war, es war einfach gut.

Setlist:

Fractured Mirror (tape intro)
Rocket Ride
Parasite
Snow Blind
Sister
Outer Space
Speedin' Back To My Baby
Rock Soldiers
Love Her All I Can
Satisfaction (little bit)
2,000 Man
Fox On The Run
New York Groove
Foxy & Free
Shock Me
Shout It Out Loud
Encore:
Rip It Out
Love Gun
Cold Gin/Black Diamond (Outro)