Crystal Crow und Cheeno (19.02.2006, Karlsruhe, Big Happy, Jack)
Was gehört zu einem gelungenen Wochenende in der badischen Reichshauptstadt Karlsruhe? Auf jeden Fall eine gute Packung Fußball im Wildparkstadion. Daneben noch das ein oder andere Weizenbier in einer der zahlreichen gemütlichen Kneipen sowie ein Spaziergang durch den schönen Schlossgarten, vorbei am Denkmal für den ersten Großherzog Karl Friedrich I. Zum krönenden Abschluss darf selbstredend eine Stippvisite bei einem Underground-Konzert mit drei talentierten Bands nicht fehlen. Here we are: 18. Februar 2006, Big Happy, Karlsruhe.
Pünktlich mit 30 Minuten Verspätung starten die Kurpfälzer von Liquid Horizon gegen 20:30 Uhr in ihr knapp 45-minütiges Programm. Ihren im Power Metal verankerten Prog zelebrieren sie live noch ein Stückchen intensiver und härter als auf CD, was insbesondere auf das Konto der Taktführer an Schlagzeug (Chuck West) und 7-saitigen (!!!) Bass (Marc Schroth) geht. Die Magie der Songs bleibt allerdings dieselbe und so feiern die schätzungsweise 100 Besucher dieser Abschiedsparty für eine Baden Metal Mitarbeiterin, die es in die U.S.A. zieht, Lieder wie das packende "Glory", das laut/leise Wechselspiel "Free World" oder das mitreißende "Up And Away". Eine sehr gute Figur gibt auch Frontmann und Gitarrist Oliver Kilthau ab, der sich mit seiner Stimme zwischen "Schwarzem Meer" und den "Alpen" bewegt; soll heißen: Abdriftungen in Jodel- und Grunzgefilde sind ein absolutes Tabu. Mit dem nach vorne peitschenden "Freedom" und dem ersten von drei Teilen über die französische Revolution ("The King"), bei dem Schlagwerker Chuck West sich eine Burger-King-Krone überzieht, präsentierte das spielfreudige Quartett bereits erste Tracks des für 2007 geplanten neuen Konzeptalbums REVOLUTIONS, die Lust auf mehr machen. Geile Band mit eigener Kreativität, die ein perfekter Act für das Prog-Label Inside Out wären.
Nach kurzer Umbaupause starten dann auch gleich die Saarbrückener Truppe Cheeno, die sich aus ehemaligen Autumnblaze Mitgliedern zusammensetzen, in ihr ebenfalls 45-minütiges Set. Die Emanzipation ist zwar in Mitteleuropa soweit fortgeschritten, im Metalsektor stockt einem dennoch der Atem, wenn sich eine Frau zum Mikroständer aufmacht. Dies wissen wir spätestens seit Nightwish, Within Temptation und Konsorten. Bei Cheeno und deren Sängerin Jennie können sich solche Befürchtungen jedoch ganz weit hinten anstellen - operetten-artige Ausflüge sucht man gottlob vergebens und so glänzt die sympathische Dame am Mikro mit einem ausdrucksstarken Stimmchen (das Wort "geil" lassen wir an dieser Stelle mal aufgrund von möglichen Missinterpretationen außen vor *ggg*), welches gegen die oft auf Sturm ausgerichteten Gitarren ankämpft (das selbst gegen den Bassisten, der sie bei der Eröffnungsnummer beinahe über den Haufen rennt). Wenn es an diesem Auftritt überhaupt irgendetwas auszusetzen gibt, dann sind es die Lieder, die allesamt einen ähnlichen Aufbau vorzuweisen haben. Besonderes Highlight: die prägnante Nummer "Invisible".
Mit Crystal Crow aus Karlsruhe schickt sich anschließend der Headliner des Abends an. Mit einem Keyboarder, der aussieht als sei er frisch vom städtischen Friedhof auferstanden, und vier weiteren "Gestalten" der Marke *dichmagichnichtimdunkelntreffen* feuern Crystal Crow ein Potpourri aus vornehmlich Dark Gothic Klängen des Fabrikats Paradise Lost und unkommerzielleren HIM und schwarzmetallischen Ausflügen sowie klassischen New Wave of British Heavy Metal Einflechtungen und viel Geprogge (Primordial lassen grüßen) in die dichter (nicht auf den Alkoholpegel bezogen) werdende Menge. Interessante Mischung, aber irgendwie will der Funke bei mir nicht überspringen. Warum weiß ich nicht, denn dem Rest der Meute scheint es zu gefallen, zumindest tun sie so als ob.
Schluss ist danach aber noch lange nicht: Wer immer noch nicht genug hat, bekommt es mit einem Metal DJ endgültig besorgt.
Das meint der Schreiber dieser Zeilen (Monsieur Jack) zusammenfassend von diesem Konzert: Drei tolle Bands bekamen wir in einem perfekten Soundgewand (ein Lob an die Tontechniker) zu Gesicht, auch wenn mir persönlich Crystal Crow nicht ins musikalische Konzept gepasst haben. Alles in allem war dies aber eine feine Sache, bei der man sich bei fünf Euro Eintritt nicht beklagen kann. Der Underground lebt!!!
The Reaper: Bevor der Konzertabend so richtig beginnen konnte, gab es aber bereits den ersten Aufreger: Anwohner des Big Happy hatten die Polizei, wegen der Lautstärke beim Soundcheck der Bands, alarmiert - um 19:00 Uhr…
Was Liquid Horizion und Cheeno betrifft kann ich The Jack nur zustimmen - ein Metal-Feuerwerk jagte das nächste, so dass man kaum zum Verschnaufen kam.
Jedoch im Gegensatz zu Jack kann ich sagen, dass der Höhepunkt des Abends der Auftritt der dunklen Gestalten von Crystal Crow war. Mit ihrem düsteren Black-, Death-, Gothic- und Heavy Metal verbindenden Stil trafen sie genau den Puls der Stunde - und den der Zuhörerschaft.
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