Judas Priest und Megadeth, Testament (17.02.2009, Birmingham, LG Arena (NEC), Colin)
Sagt mal ehrlich, gibt es etwas Besseres als dem unsäglichen Valentinstagskitsch durch ein amtliches Metal Konzert zu entfliehen? Nein. Besonders dann nicht, wenn drei Urgesteine des Metal sich anschicken eine Tour zusammen zu fahren und der Headliner an einem Abend in seiner Heimatstadt einen Zwischenstopp einlegt. JUDAS PRIEST, MEGADETH & TESTAMENT machten in Birmingham, im Rahmen ihrer „Priest Feast“-Tour, halt und der Märchenonkel ließ es sich nicht nehmen für SQUEALER-ROCKS mal kurz vorbei zu schauen.
Pünktlich um 18:20h stürmen TESTAMENT auf die Bühne und entfesseln ein gnadenloses Thrash-Inferno wie es sein sollte. Die Jungs um Frontindianer Chuck Billy haben sich lange Zeit gelassen um das neue Werk „The Formation Of Damnation“ der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Warten hatte sich für die Fans aber gelohnt, ist „The Formation Of Damnation“ doch eines der besten Thrash-Alben im letzten Jahr gewesen. Ein starkes Album braucht keine Konkurrenz zu fürchten und so gehen TESTAMENT nicht auf Nummer sicher, sondern präsentieren, dem nach Thrash lechzenden Publikum nicht nur Klassiker. Nummern neueren Datums stehen Bay Area Klassikern wie „Over The Wall“, „Into The Pit“ oder „Practice What You Preach“ in nichts nach und Rückkehrer Alex Skolnick (neuerdings ein Jürgen Drews-Lookalike) soliert sich durch die Songs, als wäre er nie weg gewesen.
Chuck ist gut bei Stimme, animiert das Publikum ständig, weiß aber auch um die mit vierzig Minuten äußerst knapp bemessene Spielzeit, die der Band zur Verfügung steht. Die Thrash-Urgesteine bieten eine hervorragende Show, die allerdings unter zwei negativen Aspekten leidet. Zum Einen ist die LG Arena nicht einmal zur Hälfte gefüllt während die Jungs thrashen was das Zeug hält, was wirklich schade ist. Zum Anderen ist dem Mischer nach dem zweiten Song wohl mitgeteilt worden, dass TESTAMENT heuer lediglich Support sind. Der Sound wurde schlagartig zu laut und matschig, sprich: mies. Muss sowas denn bei einem solchen Package mit derart renommierten Bands denn wirklich noch sein? Armseelig. TESTAMENT haben definitiv mehr Respekt verdient.
Da haben es MEGADETH doch schon um einiges leichter. Die Halle ist um einiges voller als Dave Mustaine und seine Sidekicks um 19:30h auf die Bühne müssen und die Anzahl der Metaller mit Megatod-Leibchen egalisiert sich mit derer welche Shirts des Headliners tragen. Zudem ist der Sound im Allgemeinen auch besser als noch bei TESTAMENT. Wer allerdings ein opulentes Bühnenbild von den Amis erwartet hatte, so wie ich, wurde herb enttäuscht. Außer einem riesigen Logo der Band waren keinerlei Extras auf der Bühne zu finden (es fehlte sogar jedes Lebenszeichen von Vic Rattlehead). Ein, wie sich im Laufe der Show herausstellte, cleverer Schachzug. So ist das einzige Gimmick der Show die Musik und die ist im Falle MEGADETH in den meisten Fällen ja über jeden Zweifel erhaben. Spiel- und bewegungsfreudig werden Klassiker wie „Take No Prisoners“, „Wake Up Dead“, „Hangar 18“ (übermächtig!!!), „Symphony Of Destruction“, „Holy Wars…Punishment Due“ oder das unvermeidliche und von den Fans amtlich abgefeierte „Peace Sells“ in die LG Arena geschossen, dass es eine wahre Freude ist.
In diesem Zusammenhang kann sogar ein Stück wie „A Tout Le Monde“ bestehen, welches, meiner Meinung nach, eigentlich zu den Schwächsten der Band gehört. Auch die kleinen Schönheitsfehler können den guten Eindruck der Show nicht mindern. Dass Daves Gitarre bei seinen Soli doppelt so laut, wie der Rest der Band und seine Stimme gegen Ende des Gigs nicht mehr die kräftigste ist, fällt nicht großartig ins Gewicht. Dafür ist das Konzert zu gut. MEGADETH befinden sich schon seit den letzten beiden Alben wieder auf dem richtigen Weg und kehren langsam, aber sicher zu alter Stärke zurück und das richtig beeindruckend. Davor ziehe ich meinen Hut. Seine einstigen Rivalen hat Herr Mustaine längst hinter sich gelassen. Zumindest an diesem Abend. Ein überragender Gig, mit dem sich ]MEGADETH zurück in meinen Fokus gespielt haben. Well done, meine Herren!
Danach ist erst mal wieder Bier holen angesagt. Für zehn Pfund gibt es vier Flaschen Carlsberg (0,5l) in einer schmucken grünen Plastiktüte kredenzt (und ich bin bei weitem nicht der einzige Metalhead, der sich heute Abend als Tütensammler outet). Eigentlich eine gute Idee, muss man nämlich nicht kompliziert viele Flaschen mit sich herumschleppen. Paradox hingegen ist, dass man die Flaschen nicht mit in den Innenraum nehmen darf und sie vorher von den Stewards in Becher gefüllt werden (wobei der Engländer sich selbst nicht sicher ist, ob man den Begriff „Becher“ nun mit „cup“ oder „glass“ ideal übersetzt…). Egal, dann muss eben doch geschleppt werden. Wie oben schon erwähnt, ist die LG Arena längst nicht ausverkauft, was sich nicht nur an den spärlich gefüllten Tribünen, sondern auch am Platz im Innenraum (man kann sich recht frei bewegen) bemerkbar macht.
Woran es nun genau liegt, dass JUDAS PRIEST in ihrer Heimatstadt Birmingham die Halle nicht ausverkaufen, kann man natürlich nicht final beantworten. Spekulationen werden aber erlaubt sein und deshalb stelle ich an dieser Stelle mal zwei Vermutungen an. Dass viele Fans mit „Nostradamus“ nicht zurecht kommen, kann man wohl als Fakt ansehen. Das belegen die Reaktionen auf die zwei (!) gespielten Songs von selbigem Album. Der andere Punkt ist wohl, dass viele Fans den Untergang der Metal-Legende JUDAS PRIEST nicht mit ansehen wollen und sind deshalb zuhause geblieben. Nun aber zu den Hohepriestern des Heavy Metal. Vorhang auf: The Priest Is Back…
JUDAS PRIEST gehen pünktlich um 21:00h auf die Bühne und zelebrieren den „Nostradamus“-Opener „Prophecy“ in einer herrlich düsteren Atmosphäre mit Gänsehauteffekt. Manche sagen, der Opener wäre falsch gewählt, da er zu langsam ist. Ich finde den Song als Einleitung richtig gut. Die Band zeigt sich sehr agil und mit seinem Einsatz wird Rob Halford an der linken Bühnenhälfte von einer Hebebühne ins Rampenlicht befördert. Der Sound ist, im Gegensatz zu den beiden Vorbands, perfekt. Während die Band den Song performed, fragt man sich (beobachtet von einem riesigen Nostradamus-Konterfei, welches als Backdrop dient), ob denn das ganze „Nostradamus“-Album zu besten gegeben wird. Wäre eine interessante Sache, zu sehen, wie das komplette Material mit den ganzen Zwischenspielen live funktioniert. Aber nein, nach kurzem Applaus spielen JUDAS PRIEST direkt ihre quasi Bandhymne „Metal Gods“, gefolgt von einem grandiosen „Eat me Alive“. Beide Songs kommen druckvoll aus der P.A. und sind perfekt gespielt, so wie man es von den Briten kennt. Allerdings wird hier schon klar, dass Halford enorme Probleme haben wird, den Gig stimmlich zu überstehen. „Hell Patrol“ ist schon beinahe nicht wieder zu erkennen und bei „Devil’s Child“ verpasst der Oberpriester gar ein-, zweimal seine Einsätze. Das ist bei aller Liebe zu JUDAS PRIEST nicht schön mit anzusehen (und ich beziehe mich hier sicherlich nicht auf „Painkiller“!).
Die Setlist lässt eigentlich keine Wünsche offen. „Breaking The Law“, „Hell Bent For Leather“, „Between The Hammer And The Anvil”, „You’ve Got Another Thing Comin‘“ oder „Hellion/Electric Eye“. Sie alle sind an Bord und werden von der Band hervorragend gespielt, optisch schön in Szene gesetzt, von Halford gut gesungen und vom Publikum mit stürmischem Applaus bejubelt. Zu Recht, denn JUDAS PRIEST sind nach wie vor eine Legende. Auch die verschiedenen Showeinlagen (Halford verschwindet beispielsweise dramatisch im Bühnennebel) sind erstklassig. Er macht noch immer Spaß der Band zuzugucken, keine Frage. Was einen Schatten auf diesen eigentlich wunderbaren Konzertabend wirft, ist nicht nur die Stimme von Rob Halford, die in den hohen Lagen einfach nicht mehr funktioniert, sondern seine Körpersprache im Allgemeinen. Er schleppt sich von einem Bühnenende zum anderen und man hat kontinuierlich das Gefühl, dass der Mann gleich zusammenbricht (und ich meine jetzt nicht gebeugt über einen Teleprompter zu singen). Das kann man bei „Angel“ oder „Death“ noch als Showeinlage werten, wenn er sich auf einen Stock gestützt bewegt. Man macht sich halt Sorgen um den Gesundheitszustand des Metal-Gott, wenn man bedenkt, dass es erst der Anfang der Tour ist.
Alles in allem war es echt ein super Abend, bei dem das Positive überwogen hat. Die Bands waren gut aufgelegt und das Ambiente in der Halle (und Drumherum) sehr ansprechend. Irgendwie ist hier alles viel relaxter als in Deutschland. Ich hoffe aber auch, dass dies die letzte Tour von JUDAS PRIEST sein wird, denn jetzt können sie noch mit Würde abtreten. Eine Legende sind sie. Hoffentlich werden sie es auch bleiben.
|