Squealer-Rocks.de Live-Review
Deep Purple und Alice Cooper (12.02.2006, Dortmund, Westfalenhalle, Maddin)

So kann’s gehen: Ein liegen gebliebener LKW auf der eh schon bundeslandweit gefürchteten B1 machten die knapp 30 Kilometer von Bochum nach Dortmund zur Tortur und so schlich man im Schritttempo gen Westfalenhalle, was zur Folge hatte, dass wir trotz Laufschritts den furiosen Start von Alice Cooper leider verpassten.
Ärgerlich zwar, aber die Hochgefühle über dieses wirklich mal im Wortsinne hochkarätigen Doppelpacks ließen sich dadurch freilich nicht schmälern, und zu den Klängen von "Dirty Diamonds“ – dem Titeltrack des letzten Cooper Outputs – stürmte unsereiner dann auch den rappelvollen Innenraum der altehrwürdigen Kohlenpott Arena.

Apropos rappelvoll: auch der 1. Rang war ausverkauft und der obere Rang wurde zu einem Drittel geöffnet, was einer geschätzten Zuschauerzahl von ca. 9000 entspricht. Viel Holz in den heutigen Zeiten, bedenkt man zudem, dass Deep Purple vor gut 2 Jahren an gleicher Stelle gerade mal gut die Hälfte an Publikumsresonanz vorweisen konnten. Ob es nun am günstigen Freitagabend oder an der weisen Entscheidung Alice Cooper mit auf die Tour zu nehmen lag soll uns hier mal egal sein. Erfreulich ist’s allemal und auch bei den leider mittlerweile üblichen saftigen Ticketpreisen zwischen 50 – 60 Euro bereute garantiert niemand sein Kommen.

Trotz der erwähnten hektischen Ankunft sind nach den ersten Sekunden im weiten Rund alle Stausorgen vergessen. Spätestens, als das Drum Intro zu "Billion Dollar Babies“ ertönt, steht hier JEDER unter dem Bann von Meister Alice. Sieht man sich die gerade erschienene DVD an, die ein über 30 Jahre altes Konzert zeigt und vergleicht die damalige Performance mit der aktuellen, so macht man in punkto Vitalität und Spielfreude keine Unterschiede aus. Lediglich der Gesang ist anders – nämlich besser! Unser Lieblingsbösewicht tönt dermaßen kraftvoll und sauber ins Mikro, dass man ihm dem vor einer Woche begangenen 58. Geburtstag schwerlich glauben will.

Die Rückbesinnung auf die 70er Jahre, die sich auf den beiden letzten Alben deutlich machte, hat natürlich auch Auswirkungen auf die Setlist. So finden sich aus der "Metal“ Phase von Mitte der 80er bis 2002 mit "Feed my Frankenstein“ und dem unvermeidlichen "Poison“ lediglich 2 Stücke dieser Ära im aktuellen Programm wieder.
Showmäßig geht’s allerdings wieder extrem Heavy zur Sache. Was der Coop in seinem gut einstündigen Auftritt an Show – und Horror Elementen verbrät, verdient schon allerhand Respekt. Da wird geprügelt, gepeitscht, eine hysterisch kreischende Paris Hilton wird - sehr zur Freude des Publikums – "auseinander genommen“ und zu guter Letzt wird Alice zunächst in die altbekannte Zwangsjacke gepackt und anschließend wird ihm per Guillotine gar der Kopf entfernt (nachdem eine Domina per Handzeichen vorher das Auditorium abstimmen ließ, ob man den alten Schwerenöter nicht doch lieber verbrennen oder hängen sollte).

Auch nach etlichen live erlebten Shows ist die "Auferstehung“ von Onkel Alice immer wieder Gänsehaut erzeugend: wenn er da im weißen Frack und Zylinder zu dem Riff von "School’s out“ erneut auf die Bühne stürmt, ist man diesem Rock’n’Roll Pionier einfach nur dankbar, dass er noch Konzerte gibt. Den Höhepunkt erfährt die Ergriffenheit schließlich, als Mr. Cooper am Ende des Songs sekundengenau seinen Chapeau Claque in die Luft wirft, welcher dann von Eric Singer mit einem Drumstick aufgefangen wird.

Überhaupt, Eric Singer: Neben dem Meister höchstselbst ist der Ex-, wieder-, ab und zu mal Kiss Drummer der Blickfang auf der Bühne. Zwar besteht eine Alice Cooper Band grundsätzlich aus grandiosen Akteuren, doch was der blonde Spaßvogel an seinen Kesseln abzieht ist schon herausragend. Nicht umsonst wird ihm als einziges Bandmitglied ein Solo zugestanden.
Klar, dass eine gute Stunde Spieldauer zu wenig für solch eine Rock Institution ist, aber schlussendlich kam Alice, hat böse geschaut und siegte wie immer auf ganzer Linie.
Einzigster Minuspunkt war, dass die beiden Leinwände neben der Bühne nicht schon beim Cooper Set angeschaltet wurden. So haben Leute mit einer Körpergröße unter 1,80 m mit Sicherheit viele Details verpasst.

Nach einer knappen halben Stunde Umbaupause wurde dann noch schnell die Bühne abgesaugt, da Ian Gillan neuerdings barfuss auftritt.
Trotz der prägnanten 70er Schlagseite beider Bands ist der Unterschied von Cooper zu Deep Purple dann doch ziemlich groß. Auf die energiegeladene Horror Show folgt nun eine relaxte Band, die selbstredend auf Show Elemente gänzlich verzichtet und alleine ihre musikalischen Vorzüge sprechen lässt.
Die sympathischen Briten machten einem den Stimmungswechsel allerdings recht leicht. Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, wie viel Spaß diese Truppe nach so vielen Jahren noch an Live Gigs hat.
Alle ewigen Nörgler, die Purple als eine reine Selbstkopie abtun, die stur ihr ewig gleiches Programm abspult, sahen sich bereits zu Beginn lügen gestraft.
Die beiden Uralt Kracher "Pictures of Home“ und "Things i never said“ hatte wohl niemand als Eröffnungsdoppel erwartet. Beim fetten Bass Groover "Wrong Man“ wurde dann auch schnell deutlich, in welche Richtung der heutige Abend geht: das neue Album "Rapture of the Deep“wurde mit 5 Songs reichlich bedacht – wie man hört, wurden in anderen Stadten bis zu 7 Stücke der neusten Langrille gespielt -, was gleichzeitig der zweite Schlag ins Kontor der Hobby – Schlechtmacher war, die sich bereits vor dem Auftritt in reichlich unqualifizierten Bemerkungen über die aktuelle Scheibe äußerten. Natürlich nicht, ohne in jedem 2. Satz die "Ohne Blackmore ist sowieso alles Scheisse“ – Floskel zu bemühen.
Mann, dann bleibt zu Hause und zieht Euch die alten Videos rein!

Gottlob haben 99% Prozent des gut mitgehenden Publikums den Schuss rechtzeitig gehört und erfreuten sich an einer Band, die halt streckenweise anders als früher, aber mitnichten schlechter ist und sich immer noch erneuern kann.
So gab es bei den neuen Titeln keinen Stimmungsabfall zu vermelden und die lautesten Ovationen erntete – neben den klassischen Stimmungsmachern am Ende des Gigs - "Jungspund“ Steve Morse für seine "Well Dressed Guitar“. Man erlebt es nicht oft, dass bei Instrumental Tracks bis in die obersten Ränge mitgefeiert wird. Toll!
In Bestform zeigte sich auch Ian Gillan, der streckenweise wie eine Art Moderator wirkte. Selbst bei ausufernden Jam Sessions blieb er auf der Bühne und dirigierte Band und Publikum. Stimmlich war auch alles in Ordnung, ebenso wie beim Coop scheint sich der ruhigere Lebenswandel den das Alter mit sich bringt, positiv auf die Gesangsleistung auszuwirken.

Besondere Erwähnung sollte noch die absolut fantastische Licht – und Videoshow finden. Zu den schon erwähnten Leinwänden neben der Bühne gab es on stage noch 2 Videoschirme, wo es neben witzigen Einspielungen auch sehr stimmungsvolle und atmosphärische Bilder zu sehen gab, die besonders dem grandiosem "Before Time began“ eine ergreifende Tiefe gaben.
Auch soundtechnisch gab es bei beiden Bands kaum was zu mäkeln. Laut aber klar, wenn auch ein bisschen zu basslastig.

Insgesamt also ein toller Abend mit 2 echten Meilensteinen in der Geschichte der Rockmusik, die jeder – wirklich JEDER – jungen Band immer noch zeigen, wo der Hammer hängt.
Ich bitte um Wiederholung im nächsten Jahr.

Setlist Alice Cooper:
Department of Youth
No more Mr. Nice Guy
Dirty Diamonds
Billion Dollar Babies
Be my Lover
Woman of Mass Distraction
18
Go to Hell
Black Widow
Feed my Frankenstein
Welcome to my Nightmare
Medley: The Awakening / Steven / Only Women Bleed / Ballad of Dwight Fry / Killer)
I love the Dead
School’s out
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Poison
I wish I was born in Beverly Hills
Under my Wheels

Setlist Deep Purple:

Pictures of Home
Things I Never Said
Wrong Man
Ted the Mechanic
Living Wreck
Rapture of the Deep
Before Time Began
Mary long
Well-Dressed Guitar
Lazy
Keyboard Solo
Perfect Strangers
Junkyard Blues
Kiss tomorrow Goodbye
Space Truckin
Highway Star
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Smoke on The Water
Hush
Black Night