Rock und Metal News

29.12.2015 - Lemmy ist tot! Ein persönlicher Nachruf.

Im Dezember 1984 hatte ich im Essener „Pink Palace“ beim „Christmas Metal Meeting“ das erste Mal die Ehre, den, den alle für unsterblich hielten, live zu sehen.


Als 16 – jähriger Rotzbengel fieberte man schon wochenlang diesem Auftritt (das unsägliche Wort Event“ gab es noch nicht) entgegen und als es endlich so weit war, erstarrte ich förmlich:
Diese Urgewalt, diese infernalische Lautstärke – das war eine völlig neue, höllische Dimension. Und in der Mitte der Bühne brüllte der Teufel in Person --in meiner juvenilen Faszination bekam ich regelrecht Angst vor dieser Übergestalt.

Diese schlug jedoch nach dem dritten Song schlagartig in schiere Vergötterung um: Lemmy steckte sich erstmal 'ne Kippe an, nahm einen kräftigen Schluck einer bräunlichen Flüssigkeit zu sich, blickte in die Menge, grinste und meinte dann nur kurz und knapp: „I wanna see some Tits!“.
Das diverse Damen dieser charmanten Aufforderung nachkamen, interessierte mich trotz meines pubertären Alters nicht die Bohne; von da an kreiste nur noch ein Gedanke in meinem Hirn:
„Ich will auch so eine coole Sau werden!“.
Hat nicht geklappt – bei keinem! Kein Mensch wird jemals so cool sein,wie es Ian Kilmister war!

Doch er war viel mehr als die verkörperte Lässigkeit, er war mehr als „Mr. Rock'n'Roll“.
Ungeachtet der musikalischen Relevanz von Motörhead – ein großer Teil der gesamten Szene, einige Genres würden ohne diese Band gar nicht existieren – war Lemmy stets eine Persönlichkeit, die quasi unangreifbar war.
Im Gegensatz zu etlichen anderen Urvätern und Idolen der harten Rockmusik hat sich „The Lem“ nie verbogen. Niemals hat er sich dem Kommerz angebiedert, ist irgendwelchen Trends hinterhergelaufen, auch wenn die großen Hallen in einigen Jahren den Clubs weichen mussten. Motörhead waren immer Motörhead; obwohl härter als die meisten Metal Bands hat Lemmy stets betont „We play Rock'n'Roll“.

Peinliche Gigs a la Ozzy? Fehlanzeige! Selbst die Konzerte in jüngerer Vergangenheit, die aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung abgebrochen wurden, sind nichts anderes als der Beweis, dass Rock'n'Roll für diesen Mann viel mehr als ein Lippenbekenntnis war.
In vielen Berichten gab es Begriffe wie „bemitleidenswert“ zu lesen.
Nein! Bewundernswert! Das trifft es! Und ist noch untertrieben! Während dutzende von hochgehypten Jungspunden wegen jedem quer sitzenden Furz einen Auftritt canceln, hat sich dieser alte, schwerkranke Mann – der garantiert niemandem mehr etwas beweisen musste - auf die Bühne geschleppt und so lange gespielt, bis es eben nicht mehr ging.
Jeder Musiker, der in Interviews darüber parliert, er würde den Rock'n'Roll leben, ist in meinen Augen nur eine Witzfigur gegen diesen Mann.

Fremdschäm - Interviews a la Lars Ulrich? Ebenso Fehlanzeige! Lemmy nutzte gerne und oft die Gelegenheit, statt Promo – Geschwätz höchst intelligente Statements vom Stapel zu lassen, die sich stets gegen verlogene Instanzen wie Politik, Kirche etc. richteten, jedoch niemals in populistische Polemik ausarteten – stattdessen war und ist es eine Freude, die Wahrheiten eines höchst intelligenten, historisch gebildeten Menschen zu lesen.
Er hat seine Faszination für den 2. Weltkrieg und der Nazi – Symbolik stets zur Schau getragen und - zum Leidwesen seiner PR Berater – damit kokettiert, dass ihn dumme Menschen in die rechte Ecke drängten.
Ja - das war Lemmy. Er hat sich sein ganzes Leben „a fucking Shit“ darum gekümmert, was Andere von ihm dachten.

Ja - das alles - und noch viel mehr – war Lemmy.
Jetzt ist er nicht mehr da.
Er war eben doch nicht unsterblich. Jeder Metal Fan hat Vorlieben – der Eine hört lieber Priest, der andere lieber Maiden.
Doch Motörhead, die mag jeder.
Motörhead waren immer da –jetzt nicht mehr?
Doch – sie werden immer da sein.
Und ich glaube nicht, dass auf den metallischen Sylvester Parties übermorgen sooo viel mehr Motörhead gehört wird – die Musik wird ja nicht besser, weil Lemmy tot ist.
Sie war schon immer ein Hauptbestandteil unseres Lebens – lediglich das Gefühl, wenn „Killed by Death“ läuft, wird evtl. etwas anders ein.

Nein – ich trauere nicht. Ich kannte diesen Menschen nicht.
Und vielleicht ist es sogar pervers, diese Würdigung erst jetzt zu schreiben und nicht schon zu seinen Lebzeiten.
Dennoch: ...und das ist möglicherweise das Unerklärbare: Erst jetzt wird einem bewusst, wie viel uns ein Musiker, den wir nicht kannten, bedeuten kann…

...und das ist gut so….